Vorhofflimmern
kam ich in der Arbeit an. Sandra war natürlich sofort entsetzt über mein
Antlitz.
„Meine Güte, wie siehst du denn aus? Geht es dir nicht gut?“,
fragte sie besorgt, kaum dass ich die Küche betreten hatte.
„Hab schlecht geschlafen“, murmelte ich ausweichend und
wandte mich schnell meinem Freund Hans zu.
„Oh, willst du vielleicht doch noch die Nummer von der
Seelsorgerin?“
Ah, sie glaubte der Überfall war der Grund für meine
schlaflose Nacht. Das war gut. Ich ließ sie einfach in dem Glauben und notierte
mir sogar die Telefonnummer, die sie mir freudig nannte.
Freilich würde ich dort nicht anrufen, aber es lenkte Sandra
von meinem eigentlichen Problem ab.
Mein Handy war nach wie vor abgeschaltet, weil ich lieber
nichts von Desiderio wissen wollte. Ein Aufeinandertreffen war natürlich nur
eine Frage der Zeit, aber ich wollte dies noch so lange wie möglich
hinauszögern. Mein Glück war, dass er heute Dienst hatte, das bedeutete
nämlich, dass sein Arbeitsbeginn und mein Schichtende sich gerade um eine
Viertelstunde überschritten. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich diese letzte
Viertelstunde überbrücken würde, indem ich unter einem Vorwand früher nach
Hause ging. Ich würde Sandra eine Art Zusammenbruch vorgaukeln und somit
Desiderios Anblick entgehen.
Nun, mein Plan erfüllte mich nicht gerade mit Stolz, aber ich
hatte keine Ahnung, wie ich Desiderio gegenüber treten sollte.
Die ganze Nacht hatte ich versucht, mit der Sache klar zu
kommen. Ich hatte mir eingeredet, dass ich diesen Mistkerl doch einfach
vergessen sollte. Dass er für mich eben auch nur eine Affäre war.
Doch das war er nicht.
Er war viel mehr für mich, egal wie sehr ich mir dies
vorzugaukeln versuchte. Ich hatte mich ihm geöffnet, ihm vertraut, was ich bei
einem One-Night-Stand niemals getan hätte. Und ich hatte Gefühle für ihn
entwickelt.
Starke Gefühle.
Liebe.
Weil ich spürte, dass sich schon wieder Tränen in meinen
Augen sammelten, atmete ich tief durch und riss mich zusammen, bevor Sandra
noch etwas bemerkte.
Mir gelang es überraschend gut nach außen hin die Coole zu
wahren, während in mir drinnen nach wie vor Schmerz und Enttäuschung wüteten.
Wie besessen stürzte ich mich in die Arbeit, um mich von
meinem Gefühlschaos abzulenken. Reinmann bedachte meinen übertriebenen Eifer
zwar ein paar Mal mit einem argwöhnischen Blick, aber ansonsten funktionierte
das eigentlich ganz gut.
Ich sah auf die Uhr im
Behandlungsraum 2.
Mir blieben noch Zwanzig Minuten, bevor ich verschwinden
musste.
Reinmann wollte ein Muttermal entfernen und ich bereitete
routiniert alles vor, bevor ich den entsprechenden Patienten hereinholen würde.
Während ich die lokale Betäubung in einer Spritze aufzog,
ging ich im Geiste noch einmal alle benötigten Instrumente durch. Skalpell,
Pinzette, Schere… Ja, alles da. Ich holte gerade eine frische Nadel hervor, um
sie auf die Betäubungsspritze zu stecken, als die Tür aufging.
In der Erwartung, dass Reinmann hereinplatzte und mich mit
seiner notorischen Ungeduld nerven wollte, sagte ich ohne aufzusehen: „Ich bin
gleich soweit.“
„Freut mich zu hören, mein Schatz.“
Entsetzt drehte ich mich um und starrte in Desiderios freches
Grinsen.
Sein unbekümmerter Auftritt ging mir durch und durch.
„Was machst du schon hier?“, fragte ich schockiert.
„Ich bin ein wenig früher gekommen, um dich zu sehen. Ich
habe dich heute Morgen schon angerufen, aber dein Handy war aus.“ Er musterte
mich irritiert. „Was ist los?“
Was los war?
Du Scheißkerl hast mir das Herz herausgerissen!
„Lena! Was hast du?“, wollte er wissen und machte einen
Schritt auf mich zu.
„Bleib ja von mir weg!“, schrie ich und wich zurück.
Desiderio blieb überrascht stehen. „Um Gottes Willen, was ist
denn passiert?“
Wut und Schmerz legten sich über meine Brust und machten mir
das Atmen schwer. Sein besorgter Blick war kaum zu ertragen.
„Geh einfach weg“, brachte ich bebend hervor. „Lass mich in
Ruhe. Ich will nicht mit dir sprechen.“
„Ja, aber wieso denn nicht? Was habe ich getan?“
Ich schaffte es nicht zu antworten und sah ihn nur eisig an.
Er fuhr sich überfordert durch die Haare. „Mensch, Lena! Rede
mit mir! Hat Steffi wieder irgendeinen Mist erzählt? Glaub mir, egal was es
war, sie lügt.“
Mir entfuhr ein abschätziges Grollen, was Desiderio glauben
ließ, dass er richtig lag mit seiner Vermutung.
„Meine Güte, hat sie wirklich wieder
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