Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
heimzusuchen.« Es
herrschte eine Weile Schweigen, während der Kaiser seinen
Sieg verdaute. »Sie werden sofort beginnen müssen, Ihren
persönlichen Stab zusammenzustellen. Ich vermache Oberst
Negri an meinen Enkel und die Prinzessin, zu deren Sicherheit.
Aber ich dachte, vielleicht würden Sie Oberstleutnant Illyan für sich selbst haben wollen.«
»Ja. Ich denke, er und ich könnten sehr gut miteinander
auskommen.« Ein angenehmer Gedanke schien ein Licht in
Vorkosigans düsterem Gesicht zu entzünden. »Und ich kenne
den Mann, der genau für den Posten des persönlichen Sekretärs geeignet ist. Er wird dafür eine Beförderung brauchen – einen Leutnantsrang.«
»Vortala wird sich für Sie darum kümmern.« Der Kaiser
legte sich erschöpft zurück und räusperte sich erneut, mit bleigrauen Lippen, um seine Kehle vom Schleim zu befreien.
»Kümmern Sie sich um alles. Ich glaube, Sie sollten besser den Doktor wieder herholen.« Mit einem müden Zucken seiner Hand scheuchte er sie hinaus.
Vorkosigan und Cordelia traten aus der Kaiserlichen
Residenz hinaus in die warme Luft des späten Sommerabends, die mild und vom nahen Fluss feucht war. Ihnen folgten ihre neuen Leibwachen, tipptopp in den vertrauten schwarzen Uniformen. Es hatte eine längere Konferenz mit Vortala, Negri 321
und Illyan gegeben. Cordelia brummte der Kopf von der
Anzahl und den Details der besprochenen Themen. Vorkosigan schien ohne Schwierigkeiten mithalten zu können, wie sie neidvoll festgestellt hatte; tatsächlich war er es gewesen, der das Tempo bestimmte.
Sein Gesicht erschien konzentriert und energischer als je
zuvor, seit sie nach Barrayar gekommen war, erfüllt mit einer ungeduldigen Spannung. Er ist wieder lebendig, dachte sie.
Blickt hinaus, nicht nach innen; nach vorn, nicht zurück. Wie damals, als ich ihm zum ersten Mal begegnete. Ich bin froh, was immer auch das Risiko sein mag.
Vorkosigan schnalzte mit den Fingern und sagte laut: »Die
Abzeichen!« Und nach diesen rätselhaften Worten: »Erster
Halt Palais Vorkosigan.«
Sie waren bei ihrer letzten Reise nach Vorbarr Sultana an der offiziellen Residenz des Grafen vorbeigefahren, aber jetzt war Cordelia zum ersten Mal in diesem Gebäude. Vorkosigan nahm auf der breiten, geschwungenen Treppe zwei Stufen auf einmal und strebte seinem eigenen Zimmer zu. Es war ein großer Raum, einfach möbliert, mit einem Blick auf den Garten. Wie in Cordelias eigenem Zimmer im Apartment ihrer Mutter herrschte hier eine Atmosphäre, die von häufiger und ausgedehnter Abwesenheit des Bewohners kündete, mit
archäologischen Schichten vergangener Passionen, die in
Schubladen und Wandschränke gestopft waren.
Es war keine Überraschung, dass es Beweise für ein
Interesse an allen Arten von Strategiespielen und Staats-und Militärgeschichte gab. Überraschender war eine Mappe von vergilbenden Feder—und Tuschzeichnungen, auf die Vorkosigan stieß, als er eine Schublade voller Medaillen,
Andenken und Plunder durchsuchte.
»Hast du das gezeichnet?«, fragte Cordelia neugierig. »Das ist ziemlich gut«
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»Als ich ein Teenager war«, erklärte er, während er
weitersuchte. »Einige später. In den Zwanzigerjahren gab ich es auf. War zu beschäftigt.«
Seine Sammlung an Medaillen und Kampagnenbändern wies
eine eigenartige Geschichte auf. Die frühen, niedrigeren waren mit hinzugefügten Erläuterungen sorgfältig auf mit Samt verkleideten Karten arrangiert. Die späteren, höheren waren wahllos in ein Glas gestopft. Eine, die Cordelia als eine hohe barrayaranische Tapferkeitsauszeichnung erkannte, lag lose im hinteren Teil der Schublade, ihr Band war zerknittert und verwickelt.
Sie setzte sich auf sein Bett und schaute die Mappe durch. Es handelte sich meist um akribisch ausgeführte Architekturstudien, aber auch um einige Figurenstudien und Porträts, die in einem weniger sicheren Stil gezeichnet waren.
Es gab einige von einer eindrucksvollen jungen Frau mit
kurzen dunklen Locken, sowohl bekleidet wie auch nackt und Cordelia erkannte mit einem Schock anhand der Anmerkungen auf den Blättern, dass sie auf Vorkosigans erste Frau schaute.
Sie hatte nirgendwo andere Bilder von ihr unter seinen Sachen gesehen. Es gab auch drei Studien eines lachenden jungen Mannes, die mit ›Ges‹ gekennzeichnet waren und quälend vertraut wirkten. In Gedanken addierte sie vierzig Pfund und zwanzig Jahre zu der Gestalt, und das Zimmer schien zu schwanken, als sie Admiral Vorrutyer
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