Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
genommen und war auf dem Weg zur Tür. »Was wird dieses… Soltoxin meinem Baby antun?«
Er wich ihrem Blick aus. »Das weiß niemand. Bisher hat
noch keiner dieses Gift überlebt ohne sofortige Behandlung mit dem Gegenmittel.«
Cordelia spürte, wie ihr Herz klopfte. »Aber vorausgesetzt, die Behandlung…« Ihr gefiel sein mitleidiger Blick nicht, deshalb wandte sie sich an Vorkosigan: »Ist das…«, aber das Wort blieb ihr im Hals stecken, als sie sein Gesicht sah: bleiern grau, durchzuckt von Schmerz und aufkommendem Zorn, das Gesicht eines Fremden mit den Augen eines Liebenden, die endlich ihrem Blick begegneten. »Sagen Sie es ihr«, flüsterte er dem Arzt zu, »ich kann es nicht.« »Müssen wir sie beunruhigen?«
»Jetzt. Bringen Sie's hinter sich.« Seine Stimme klang
brüchig und krächzend.
»Das Problem ist das Gegenmittel, Mylady«, sagte der Arzt
zögernd. »Es ist ein starkes Teratogen. Zerstört die
Knochenentwicklung im heranwachsenden Fötus. Ihre
Knochen sind schon ausgewachsen, deshalb macht es Ihnen
nichts, abgesehen von einer erhöhten Neigung zu arthritischen Störungen, die man behandeln kann … falls und sobald sie auftreten …« Er verstummte, als sie ihre Augen schloss und ihn nicht mehr anblickte.
»Ich muss den Wächter in der Halle sprechen«, fügte der
Arzt hinzu.
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»Gehen Sie, gehen Sie!«, erwiderte Vorkosigan und entließ
ihn. Der Arzt zog sich durch die Tür nach draußen zurück,
vorbei an dem Wächter, der mit Vorkosigans Kleidern eintraf.
Cordelia öffnete ihre Augen wieder, zu Vorkosigan gewandt, und sie blickten einander an.
»Der Ausdruck auf deinem Gesicht…«, flüsterte er, »das ist nicht… Weine! Wüte! Tu etwas!« Seine Stimme wurde rau und heiser. »Hasse mich wenigstens!«
»Ich kann noch nichts fühlen«, erwiderte sie flüsternd,
»morgen vielleicht.«
Jeder Atemzug brannte wie Feuer.
Mit einem gemurmelten Fluch zog er sich die Kleider über,
eine Garnitur der grünen Imperiumsuniform. »Ich kann etwas tun.«
Es war das Gesicht des Fremden, das das seine besetzt hielt.
Worte hallten hohl in ihrem Gedächtnis wider; Wenn der Tod eine Uniform trüge, dann würde er genau so aussehen.
»Wohin gehst du?«
»Nachsehen, wen Koudelka geschnappt hat.« Sie folgte ihm
durch die Tür.
»Du bleibst hier«, befahl er.
»Nein.«
Er blickte zornig zu ihr zurück, und sie fegte den Blick mit einer ebenso wilden Geste zur Seite, als pariere sie einen Schwerthieb. »Ich gehe mit dir.«
»Also, dann komm.« Er drehte sich mit einem Ruck um und
ging auf die Treppe zum Erdgeschoss zu, den Rücken zornig
gestrafft.
»Du wirst doch nicht«, flüsterte sie grimmig, nur für ihn
hörbar, »jemanden in meiner Gegenwart umbringen?«
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»Werde ich das nicht?«, flüsterte er zurück. »Werde ich
nicht?« Seine Schritte waren heftig, die nackten Füße
quietschten auf den Steinstufen.
In der großen Eingangshalle herrschte Chaos: Sie war voll
von ihren Wachen, Männern in der Livree des Grafen und
Sanitätern. Ein Mann in der schwarzen Arbeitsuniform der
Nachtwachen, von dem Cordelia nicht erkennen konnte, ob er noch lebte, lag auf dem Mosaikboden; daneben stand ein Sanitäter. Beide waren vom Regen durchnässt und mit Schlamm beschmiert. Mit Blut vermischtes Wasser bildete
kleine Pfützen unter ihnen.
Oberstleutnant Illyan kam gerade mit einem Adjutanten zur
Vordertür herein; in seinem Haar glitzerten Wassertropfen von dem nebligen Nieselregen. Er sagte: »Lasst es mich wissen, sobald die Techniker mit dem Kirlian-Detektor hier sind. In der Zwischenzeit soll sich jeder von der Wand da und aus dem Durchgang fern halten. Mylord!«, rief er, als er Vorkosigan erblickte. »Gott sei Dank, Sie sind in Ordnung!«
Vorkosigan knurrte wortlos. Ein Haufen Männer umringte
den Gefangenen, der mit dem Gesicht zur Wand lehnte; eine
Hand hielt er über seinem Kopf, die andere steif an der Seite seltsam abgewinkelt. Droushnakovi stand in der Nähe, in einem nassen Nachthemd. Eine metallene Armbrust baumelte von ihrer Hand; offensichtlich war dies die Waffe, mit der man die Gasgranate durch das Fenster geschossen hatte. Sie hatte einen blauen Flecken im Gesicht und stillte mit der anderen Hand ihr Nasenbluten. Auf ihrem Nachthemd waren vereinzelte Blutflecken. Auch Koudelka war anwesend, auf sein Schwert gestützt, ein Fuß nachgezogen. Er trug eine nasse und beschmutzte Uniform und Hauspantoffel und blickte säuerlich drein.
»Ich hätte ihn
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