Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Hühner
herumflattern … zu spät.« Unter den nächtlichen Bartstoppeln war sein Gesicht grünlich weiß.
»Ich fühle mich jetzt nicht allzu schlecht«, sagte Cordelia.
»Der Brechreiz lässt nach. Sind wir wohl vor der vollen Dosis verschont geblieben?«
»Nein. Es wirkt nur langsam. Es braucht nicht viel davon,
um dich fertig zu machen. Es greift vor allem die weichen
Gewebe an – die Lungen sind in einer Stunde Sülze, wenn das Gegenmittel nicht bald kommt.«
Die wachsende Angst, die in ihren Eingeweiden, ihrem
Herzen und ihrem Kopf pochte, ließ ihre Worte fast gerinnen:
»Dringt es auch durch die Plazentaschranke?«
Er schwieg zu lange, bevor er sagte: »Ich bin mir nicht
sicher. Muss den Doktor fragen. Ich habe nur die Wirkungen auf junge Männer gesehen.« Wieder packte ihn ein Krampf tiefen Hustens, der nicht aufhören wollte.
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Eines von Graf Piotrs Dienstmädchen kam, zerzaust und
erschrocken, um Cordelia und dem entsetzten jungen Wächter zu helfen, der ihnen zu Diensten gewesen war. Ein anderer Wächter kam, um zu berichten, und rief durch das laufende Wasser: »Wir haben die Residenz erreicht, Sir. Sie haben
einige Leute los geschickt.«
Cordelias eigene Kehle, Bronchien und Lungen begannen
einen übel schmeckenden Schleim auszuscheiden: Sie hustete und spuckte aus. »Hat jemand Drou gesehen?«
»Ich glaube, sie war hinter den Attentätern her.«
»Nicht ihre Aufgabe. Wenn ein Alarm ertönt, dann soll sie
zu Cordelia rennen«, knurrte Vorkosigan. Das Sprechen löste noch mehr Husten aus.
»Sie war unten, Sir, als der Angriff stattfand, bei Koudelka, Sie sind beide zur Hintertür hinaus.«
»Verdammt«, murmelte Vorkosigan, »das ist auch nicht
seine Aufgabe.« Seine Anstrengung wurde mit einem neuen
Hustenanfall bestraft. »Haben sie jemanden geschnappt?«
»Ich glaube schon, Sir. Es gab irgendeinen Tumult am Ende
des Gartens, an der Mauer.«
Sie standen einige weitere Minuten unter dem Wasser, bis
der Wächter sich wieder meldete: »Der Doktor von der
Residenz ist hier. Sir.«
Das Dienstmädchen hüllte Cordelia in einen Bademantel,
Vorkosigan wickelte sich ein Badetuch um und knurrte den
Wächter an: »Hol mir was zum Anziehen, Mann!« Seine
Stimme rasselte wie Schottersteine.
Ein Mann in mittlerem Alter, dessen Haare steif in die Luft standen und der zur Hose eine Pyjamajacke und Hauspantoffeln trug, lud im Gästeschlafzimmer Geräte ab, als sie aus der Dusche kamen. Er nahm einen Druckkanister aus seiner großen Tasche und befestigte daran eine Atemmaske;
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dabei schaute er auf Cordelias sich rundenden Unterleib und dann auf Vorkosigan.
»Mylord, sind Sie sicher bezüglich der Bestimmung des
Gases?«
»Unglücklicherweise ja. Es war Soltoxin.« Der Doktor
neigte den Kopf: »Es tut mir Leid, Mylady.«
»Schadet das meinem…«Sie würgte an dem Schleim.
»Schweigen Sie und geben Sie es ihr«, fauchte Vorkosigan.
Der Doktor setzte ihr die Maske über Nase und Mund.
»Atmen Sie tief. Einatmen… ausatmen. Weiter ausatmen. Jetzt einatmen. Anhalten…«
Das Gegengiftgas hatte einen frischen Geschmack, kühler,
aber fast ebenso Ekel erregend wie das ursprüngliche Gift. Ihr Magen rebellierte, aber er hatte nichts mehr, das er von sich geben konnte. Sie blickte über die Maske zu Vorkosigan, der sie anschaute, und sie versuchte, beruhigend zu lächeln. Die Wirkung des Giftes schien bei ihm zuzunehmen: Er schien grauer und gequälter mit jedem Atemzug, den sie tat. Sie war sich sicher, dass er eine größere Dosis abbekommen hatte als sie, und deshalb schob sie die Maske beiseite und sagte: »Bist nicht jetzt du an der Reihe?«
Der Doktor drückte die Maske wieder zurück und sagte:
»Noch einen weiteren Zug, Mylady, um sicherzugehen.« Sie
inhalierte tief, und der Doktor brachte die Maske zu
Vorkosigan, der keine Anleitung für die Prozedur zu brauchen schien.
»Vor wie vielen Minuten ging das Gift los?«, fragte der Arzt besorgt.
»Ich bin mir nicht sicher. Hat jemand sich die Zeit gemerkt?
Sie, ach…«Sie hatte den Namen des jungen Wächters
vergessen.
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»Etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten, glaube ich,
Mylady.«
Die Erleichterung des Arztes war spürbar. »Dann dürfte es
jetzt in Ordnung sein. Sie beide werden für ein paar Tage ins Krankenhaus gehen. Ich arrangiere den Transport. War sonst noch jemand dem Gift ausgesetzt?«, fragte er den Wächter.
»Doktor, warten Sie.« Der Arzt hatte schon den Kanister und die Maske wieder an sich
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