Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Kehle zu spülen.«
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Das graue Licht der Morgendämmerung ließ die Fenster
bleich erscheinen. Vorkosigan setzte sich auf den Rand des Bettes, nahm ihre Hand und rieb sie sanft.
»Du fühlst dich kalt an, lieber Captain«, flüsterte er heiser.
Sie nickte. Ihr Brustkorb schmerzte, ihre Kehle war wund und ihre Stirnhöhlen brannten.
»Ich hätte mich nie dazu überreden lassen sollen, diese
Aufgabe zu übernehmen«, fuhr er fort, »es tut mir so Leid…«
»Auch ich habe dich dazu überredet. Du hast versucht, mich zu warnen. Es ist nicht deine Schuld. Es erschien richtig für dich. Es ist richtig.«
Er schüttelte den Kopf: »Sprich nicht! Das beschädigt das
Gewebe der Stimmbänder.«
Sie machte sich Luft in einem freudlosen »Ha!« und legte
einen Finger über die Lippen, als er wieder zu sprechen anfing.
Er nickte, gab es auf und sie schauten einander einige Zeit einfach nur an. Er schob ihre wirren Haare zärtlich aus ihrem Gesicht, und sie ergriff seine bereite Hand, um sie als Trost gegen ihre Wange zu pressen, bis er von einer Schar von Ärzten und Technikern aufgespürt und zu einer Behandlung fortgebracht wurde, »Wir werden bald zu Ihnen zurückkommen, Mylady«, versprach ihr Anführer drohend.
Sie kehrten nach einer Weile zurück, ließen sie mit einer
ekligen rosafarbenen Flüssigkeit gurgeln und in eine Maschine atmen, darauf polterten sie wieder hinaus. Eine Krankenschwester brachte ihr ein Frühstück, das sie nicht anrührte.
Dann betrat ein Komitee grimmig dreinblickender Ärzte ihr
Zimmer. Derjenige, der in der Nacht von der Kaiserlichen
Residenz gekommen war, sah jetzt elegant und gepflegt aus
und trug adrette Zivilkleidung. Ihr persönlicher Leibarzt war flankiert von einem jüngeren Mann mit schwarzen Augenbrauen in grüner Armeeuniform mit den Rangabzeichen
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eines Hauptmanns an seinem Kragen. Sie blickte auf die drei Gesichter und fühlte sich an Zerberus erinnert.
Ihr Leibarzt stellte den Fremden vor: »Das hier ist
Hauptmann Vaagen von der Forschungsabteilung des
Kaiserlichen Militärkrankenhauses. Er ist unser hiesiger
Experte für militärische Gifte.«
»Um sie zu erfinden, Hauptmann, oder nach ihrem Einsatz
wieder alles in Ordnung zu bringen?«, fragte Cordelia.
»Beides, Mylady.« Er stand in einer Art aggressiver Rührteuch-Haltung da.
Ihr eigener Arzt hatte um seine Augen einen Ausdruck wie
jemand, der das schlechteste Los gezogen hat, obwohl er mit den Lippen lächelte. »Seine Exzellenz, der Regent, hat mich gebeten, Sie über den Ablauf der Behandlungen und so weiter zu informieren. Ich furchte«, er räusperte sich, »dass es das Beste wäre, wenn wir die Abtreibung an erste Stelle setzten. Es ist in Ihrer Schwangerschaft schon ungewöhnlich spät dafür, und es wäre auch für Ihre Genesung gut, wenn wir Sie möglichst schnell von der physiologischen Belastung befreiten.«
»Kann man da nichts machen?«, fragte sie ohne Hoffnung
und konnte die Antwort schon auf ihren Gesichtern lesen.
»Ich fürchte, nein«, sagte ihr Arzt bedrückt. Der Mann von der Kaiserlichen Residenz nickte zustimmend.
»Ich habe die Literatur durchsucht«, sagte der Hauptmann
unerwarteterweise, während er aus dem Fenster blickte, »und da gab es dieses Kalzium-Experiment. Es stimmt, die Ergebnisse, die man dabei erzielte, waren nicht sonderlich ermutigend…«
»Ich dachte, wir sind uns einig gewesen, das nicht zur
Sprache zu bringen«, fiel ihm der Mann von der Residenz
ungehalten ins Wort.
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»Vaagen, das ist grausam«, sagte ihr Leibarzt. »Sie wecken nur falsche Hoffnungen. Sie können die Frau des Regenten nicht zu einem Ihrer unglücklichen Versuchstiere machen für ein paar versuchsweise Schüsse ins Dunkel. Sie haben die Erlaubnis vom Regenten für die Autopsie – belassen Sie es dabei.«
Ihre Welt drehte sich in einer Sekunde wieder mit der
richtigen Seite nach oben, als sie in das Gesicht des Mannes mit Ideen blickte. Sie kannte den Typ: halb geeignet, halb bereit, halb erfolgreich, von einer Monomanie zu anderen flatternd wie eine Biene, die Blumen bestäubte, wenig Früchte einbringend, aber Samen hinter sich zurücklassend. Sie persönlich bedeutete ihm nichts, war nur Rohmaterial für eine Monografie. Die Risiken, die sie auf sich nahm, erschreckten seine Vorstellungskraft nicht, sie war für ihn keine Person, sondern ein Krankheitsfall. Sie lächelte ihn an, langsam, wild, und wusste nun, dass er für sie ein Verbündeter im gegnerischen Lager
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