Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
leisten, einen missgebildeten Grafen Vorkosigan zu haben.« Er lehnte sich zurück, als hätte er gerade ein zwingendes Argument vorgetragen. Cordelia hob ihre Augenbrauen: »Wer ist ›wir‹?«
»Das Haus Vorkosigan. Wir sind eines der ältesten der großen Häuser auf Barrayar. Vielleicht nie das reichste, selten das stärkste, aber was uns an Wohlstand gefehlt hat, das haben wir an Ehre wettgemacht. Neun Generationen von Vor-Kriegern. Es wäre ein schreckliches Ende, zu dem es nach neun Generationen damit käme. Verstehst du das nicht?«
»Das Haus Vorkosigan besteht zu diesem Zeitpunkt aus zwei Personen, aus dir und Aral«, merkte Cordelia ebenso amüsiert wie beunruhigt an, »und Grafen Vorkosigan haben während eurer Geschichte öfter ein schreckliches Ende genommen. Ihr seid in die Luft gejagt worden, erschossen, ausgehungert, ertränkt, bei lebendigem Leibe verbrannt, enthauptet, von Krankheiten befallen und um den Verstand gebracht. Das Einzige, was ihr nie getan habt, war, im Bett zu sterben. Ich dachte, Schrecken waren euer Repertoire.«
Er lächelte gequält zurück: »Aber wir sind nie Mutanten gewesen.«
»Ich glaube, du musst noch einmal mit Vaagen sprechen.
Die Schädigung des Fötus, die er beschrieben hat, war teratogen, nicht genetisch, falls ich ihn richtig verstanden habe.«
»Aber die Leute werden denken, es handle sich um einen Mutanten.«
»Was, zum Teufel, kümmerst du dich darum, was
irgendwelche unwissenden Proleten denken?«
»Andere Vor, meine Liebe.«
»Vor und Proleten; Sie sind gleicherweise Ignoranten, das versichere ich dir.«
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Seine Hand zuckte. Er öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder, runzelte die Stirn und sagte schärfer als zuvor: »Ein Graf Vorkosigan war auch nie ein Versuchstier in einem Labor.«
»Na siehst du, er dient Barrayar schon, bevor er überhaupt geboren ist. Kein schlechter Start zu einem Leben der Ehre.«
Vielleicht würde am Ende etwas Gutes dabei herauskommen, neues Wissen gewonnen: wenn nicht Hilfe für sie selbst, dann für den Kummer anderer Eltern. Je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr fühlte sie, dass ihre Entscheidung richtig war, auf mehr als einer Ebene.
Piotr warf den Kopf in den Nacken. »Dafür, dass ihr Betaner so weich erscheint, hast du eine beängstigend kaltblütige Ader in dir.«
»Eine rationale Ader. Rationalität hat ihre Vorteile. Ihr Barrayaraner solltet es einmal mit ihr versuchen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Aber ich glaube, wir eilen den Dingen zu weit voraus, Sir. Es gibt eine Menge von« – Gefahren – Schwierigkeiten, die noch auf uns zukommen. Eine Plazentaübertragung so spät in der Schwangerschaft ist selbst für Galakter heikel. Ich gebe zu, ich wünsche mir, es wäre genug Zeit, um einen erfahreneren Chirurgen einfliegen zu lassen. Aber die Zeit haben wir nicht.«
»Ja… ja… es kann noch sterben, du hast Recht. Keine Notwendigkeit zu aber ich fürchte auch um dich, Mädchen. Ist es das wert?«
Was war was wert? Wie konnte sie das wissen? Ihre Lungen brannten. Sie lächelte ihm erschöpft zu und schüttelte den Kopf, der ihr mit engem Druck in den Schläfen und im Hals schmerzte.
»Vater«, kam eine krächzende Stimme von der Tür. Aral lehnte dort, in einem grünen Pyjama und mit einem tragbaren Oxygenerator, der an seiner Nase angeschlossen war. Wie
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lange hatte er dort gestanden? »Ich glaube, Cordelia braucht Ruhe.«
Ihre Blicke trafen sich, über Piotr. Alles Gute, Liebster…
»Ja, natürlich.« Graf Piotr straffte sich und erhob sich mit knirschenden Gelenken. »Es tut mir Leid, du hast völlig Recht.« Er drückte Cordelias Hand noch einmal mit seinem trockenen Altmännergriff. »Schlafe. Du wirst später klarer denken können.«
»Vater!«
»Du solltest dich doch nicht außerhalb des Bettes aufhalten, nicht wahr?«, sagte Piotr abgelenkt. »Geh zurück und leg dich hin, Junge…«Seine Stimme entfernte sich im Korridor.
Aral kam später zurück, als Graf Piotr endgültig gegangen war.
»Hat Vater dich beunruhigt?«, fragte er mit grimmigem Blick. Sie streckte die Hand nach ihm aus, und er setzte sich neben ihr nieder. Sie hob den Kopf vom Kissen und legte ihn in Arals Schoß, mit ihrer Wange auf dem muskulösen Bein unter dem dünnen Pyjama, und Aral streichelte ihr Haar.
»Nicht mehr als sonst«, seufzte sie.
»Ich befürchtete, dass er dich aufregt.«
»Es ist nicht so, dass ich nicht aufgeregt wäre. Ich bin einfach zu müde, um im Korridor hin-und herzurennen
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