Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
unvermittelt anzufangen, leise zu weinen, und dann ebenso plötzlich aufzuhören, wie sie begonnen hatte.
Endlich – es waren nur Minuten, sagte Cordelia sich selbst entschlossen – erschien Hauptmann Vaagen, mit einem
Medizintechniker an seiner Seite. Er trug die grüne
Imperiumsuniform und seine Schritte waren schnell, wieder die alte Vaagen-Geschwindigkeit. Das einzige Überbleibsel seiner Verletzungen schien die schwarze Augenklappe zu sein: Sie sah an ihm gut aus und gab ihm das elegante Aussehen eines Piraten. Cordelia hoffte, dass die Klappe nur der vorübergehende Teil einer sich noch hinziehenden Behandlung war.
»Mylady!« Er brachte ein Lächeln zustande, das erste, das
seit langer Zeit diese Gesichtsmuskeln verzogen hatte, empfand Cordelia. Das gesunde Auge funkelte triumphierend, »Sie haben ihn!«
»Ich hoffe, Hauptmann.« Sie hielt den Replikator hoch, den zu berühren sie den Sicherheitsleuten verwehrt hatte. »Ich hoffe, wir sind noch rechtzeitig angekommen. Es leuchten noch 747
keine roten Lichter auf, aber es gab schon ein warnendes
Piepsen. Ich habe es abgeschaltet, es hätte mich verrückt
gemacht.«
Er untersuchte den Deckel des Geräts und überprüfte die
wichtigsten Anzeigen. »Gut, gut. Der Vorrat an Nährlösungen ist sehr niedrig, aber noch nicht leer. Die Filter funktionieren noch, der Harnsäurepegel ist hoch, aber noch nicht über dem Toleranzwert – ich denke, es ist alles in Ordnung, Mylady. Das heißt, am Leben. Ich dürfte innerhalb einer Stunde mit der Wartung beginnen können.«
»Haben Sie hier alles, was Sie brauchen? Vorräte?«
Seine weißen Zähne blitzten. »Graf Vorkosigan ließ mich
einen Tag, nachdem Sie weggegangen waren, mit der
Einrichtung eines Labors beginnen. Für alle Fälle, sagte er.«
Aral ich liebe dich. »Danke sehr. Los, los!« Sie übergab den Replikator in Vaagens Hände, und er eilte damit hinaus.
Sie setzte sich wieder hin, wie eine Marionette, bei der die Fäden abgeschnitten worden waren. Nun konnte sie es sich erlauben, die volle Last ihrer Erschöpfung zu spüren. Aber sie konnte noch nicht ganz innehalten. Sie musste noch eine sehr wichtige Information loswerden. Aber nicht an diese Trottel vom Sicherheitsdienst, die sie plagten – sie schloss die Augen und ignorierte sie demonstrativ und überließ es Drou, Antworten auf ihre törichten Fragen hervorzustammeln.
Verlangen lag im Kampf mit Furcht. Sie wollte Aral haben.
Sie hatte Aral ganz offen herausgefordert. Hatte das seine Ehre berührt, sein – zugegebenermaßen ungewöhnlich flexibles –barrayaranisches männliches Ego über das Erträgliche hinaus verletzt? Würde sie für immer aus seinem Vertrauen ausgeschlossen sein? Nein, dieser Verdacht war sicher
ungerecht Aber seine öffentliche Glaubwürdigkeit unter
seinesgleichen, Teil der heiklen Psychologie der Macht – hatte sie die beschädigt? Würden irgendwelche verdammten
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unvorhergesehenen politischen Konsequenzen aus all dem
entstehen? Sorgte sie sich darum? Ja, entschied sie traurig. Es war höllisch, so müde zu sein und sich doch Sorgen zu machen.
»Kou!«
Drous Ruf ließ Cordelia die Augen wieder aufreißen.
Koudelka hinkte in das Meldebüro des Sicherheitsdienstes am Haupteingang. Guter Gott der Mann war wieder in Uniform, rasiert und ordentlich. Nur die grauen Ringe unter seinen Augen entsprachen nicht der Vorschrift.
Kous und Drous Wiederbegegnung war, Cordelia stellte es
mit Vergnügen fest, nicht im Geringsten militärisch. Der
Stabsoffizier war sofort von langem, schmuddeligem blondem Haar umhüllt und sie tauschten gedämpfte unvorschriftsmäßige Grüße aus wie Liebling, Liebste, Gott sei Dank sicher, süß…
Die Sicherheitsleute wendeten sich irritiert von dem Ausbruch nackter Emotionen ab, die von den beiden Gesichtern
ausstrahlten. Cordelia genoss die Szene. Eine viel
vernünftigere Art, einen Freund zu begrüßen, als all das
idiotische Salutieren.
Sie ließen nur voneinander ab, um sich gegenseitig noch
besser sehen zu können, und hielten dabei immer noch die
Hände. »Du hast es geschafft«, gluckste Droushnakovi. »Wie lange bist du – ist Lady Vorpatril…?«
»Wir sind nur etwa zwei Stunden vor euch eingetroffen«,
sagte Kou atemlos und holte Luft nach einem heroischen Kuss.
»Lady Vorpatril und der junge Graf liegen im Lazarett. Der Doktor sagt, sie leidet vor allem an Stress und Erschöpfung.
Sie war unglaublich. Wir hatten ein paar schlimme Momente
als wir an
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