Vorkosigan 07 Cetaganda
sich die Pulsadern aufzuschneiden, und Miles glaubte nicht, daß Lord X der Typ war, der sich die Pulsadern aufschnitt. Er würde immer noch einen Weg suchen, alles auf Barrayar zu schieben, vorzugsweise in Gestalt eines toten Miles Vorkosigan, der ihn dann nicht der Lüge bezichtigen konnte. Es gab sogar noch eine schwache Chance, das ihm dies gelingen würde, angesichts der mangelnden Begeisterung der Cetagandaner für Ausländer im allgemeinen und für Barrayar im besonderen. Ja, es war doch ein guter Tag, um im Haus zu bleiben.
Wäre es besser gelaufen, wenn Miles am allerersten Tag den gefälschten Schlüssel öffentlich abgegeben und die Wahrheit erzählt hätte? Nein.., dann würden die Botschaft und ihre Gesandten jetzt im Sumpf falscher Beschuldigungen und eines öffentlichen Skandals stecken, und sie hätten keine Möglichkeit, ihre Unschuld zu beweisen. Hätte Lord X
irgendeine andere Delegation als die von Barrayar ausgewählt, um ihr den falschen Schlüssel unterzuschieben - zum Beispiel die Marilacaner, die Aslunder, die Vervaner -, dann würde sein Plan vielleicht noch wie ein Uhrwerk ablaufen. Miles hoffte säuerlich, daß es Lord X sehr, sehr leid tat, daß er die Barrayaraner ins Visier genommen hatte. Und ich werde dafür sorgen, daß es dir noch mehr leid tut, du Trottel.
Miles preßte die Lippen zusammen, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Komkonsole richtete. Die Schiffe der Satrapie-Gouverneure folgten alle dem gleichen allgemeinen Schema, und ein allgemeines Schema war leider alles, was die Datenbank der barrayaranischen Botschaft verfügbar hatte, ohne daß man geheime Dateien anzapfte. Miles erkundete mit dem Holovid-Display die verschiedenen Ebenen und Bereiche des Schiffs.
Wenn ich ein Satrapie-Gouverneur wäre, der eine Revolte plant, wo würde ich darin den Großen Schlüssel verstecken? Unter meinem Kopfkissen?
Wahrscheinlich nicht!
Der Gouverneur hatte den Schlüssel, aber nicht den Schlüssel des Schlüssels, sozusagen; Rian besaß noch diesen Ring. Falls Lord X den Großen Schlüssel öffnen konnte, dann konnte er eine Datenkopie ziehen, sich in den Besitz eines Duplikats des Dateninhalts brin
gen und vielleicht zur Not das Original zurückbringen und sich so des materiellen Beweises seiner verräterischen Pläne entledigen. Oder ihn sogar zerstören, ha! Aber wenn der Schlüssel leicht zu öffnen wäre, dann hätte er es schon getan, als seine Pläne ernsthaft schiefzulaufen begannen. Falls er also immer noch versuchte, auf die Daten des Schlüssels zuzugreifen, dann müßte dieser sich in einer Art Chiffrierlabor befinden. Wo gab es also auf diesem großen Schiff ein passendes Chiffrierlabor...?
Das Summen an seiner Tür unterbrach Miles' mühselige Suche. »Lord Vorkosigan?« fragte Oberst Vorreedis Stimme. »Darf ich eintreten?«
»Herein«, seufzte Miles. Er hatte schon befürchtet, daß diese ganze Komkonsolen-Aktivität Vorreedis Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Der Protokoll-Offizier mußte ihn aus dem Souterrain überwacht haben.
Vorreedi trat ein und studierte über Miles' Schulter hinweg das Holovid-Display. »Interessant.
Was ist denn das?«
»Ich frische bloß meine Kenntnisse cetagandanischer Kriegsschiffe auf. Fortbildung nach Art der Offiziere und so weiter. Die Hoffnung auf Beförderung zum Schiffsdienst erlischt nie.«
»Hm.« Vorreedi straffte sich. »Ich dachte, Sie würden vielleicht gern die neuesten Nachrichten über Ihren Lord Yenaro hören.«
»Ich glaube nicht, daß er mir gehört, aber - nichts Schlimmes, hoffe ich«, sagte Miles aufrichtig. Yenaro mochte später ein wichtiger Zeuge sein; nach reiflicher Überlegung begann Miles es zu bereuen, daß er ihm nicht Asyl in der Botschaft angeboten hatte.
»Noch nicht. Aber gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.«
»Vom cetagandanischen Sicherheitsdienst? Wegen Verrat?«
»Nein. Von der Zivilpolizei. Wegen Diebstahl.«
»Eine falsche Beschuldigung, jede Wette. Jemand versucht das System zu benutzen, um ihn aus seinem Versteck auszuräuchern. Können Sie herausfinden, wer ihn angezeigt hat?«
»Ein Ghem -Lord namens Nevic. Sagt dieser Name Ihnen irgend etwas?«
»Nein. Er muß ein Strohmann sein. Der Mann, der Nevic dazu angestiftet hat, ist der Mann, den wir haben wollen. Derselbe Mann, der Yenaro mit den Plänen und dem Geld für seine üblen Spielchen versorgt hat. Aber jetzt müssen Sie an zwei Fäden ziehen.«
»Sie meinen, es sei derselbe Mann?«
»Meinung«,
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