Vorkosigan 07 Cetaganda
über und wurde langsamer, fuhr in die Garage des Bot
schaftsgebäudes von Marilac ein und hielt in einem hell erleuchteten Foyer, das Marmorflächen und Zierpflanzen etwas weniger unterirdisch wirken ließen. Das Verdeck des Wagens ging hoch. Wachen der marilacanischen Botschaft geleiteten die Barrayaraner unter Verbeugungen zu den Liftrohren. Zweifellos scannten sie auch ihre Gäste diskret - Ivan schien so vernünftig gewesen zu sein, den Nervendisruptor ebenfalls in seiner Schublade zurückzulassen.
Aus dem Liftrohr traten sie in eine weite Vorhalle, die ihrerseits zu verschiedenen Ebenen miteinander verbundener und öffentlich zugänglicher Bereiche führte, wo es schon von Gästen wimmelte, deren angeregtes Geplauder einladend herüberklang.
Den Mittelpunkt der Vorhalle nahm eine große Multimedia-Skulptur ein. Sie war real, keine Projektion. Aus einer Quellenlandschaft, die an einen kleinen Berg erinnerte und sogar nachgeahmte Bergpfade umfaßte, auf denen man wirklich gehen konnte, plätscherte in Kaskaden Wasser herab. Farbige Flocken wirbelten um das Mini-Labyrinth in der Luft und bildeten zarte Tunnel. Noch bevor er nahe genug war, um die realistischen Details ihrer Formen zu erkennen, schloß Miles aus ihrer grünen. Farbe, daß sie die Blätter irdischer Bäume darstellen sollten. Dann begannen sie sich langsam zu verfärben, von zwanzig verschiedenen Arten von Grün zu leuchtenden Tönen von Gelb, Gold, Rot und Schwarzrot.
Während sie herumwirbelten, schienen sie fast flüchtige Muster wie etwa menschliche Gesichter und Körper zu bilden. Im Hintergrund ertönte dazu ein Klimpern wie von Windglöckchen. Waren die Gesichter und die Musik vom Künstler beabsichtigt, oder verführte das Kunstwerk sein Gehirn dazu, in die zufälligen Formen bedeutungsvolle Muster zu projizieren? Die raffiniert erzeugte Unsicherheit lockte Miles an.
»Das ist neu«, bemerkte Vorob'yev, dessen Blick ebenfalls von dem Kunstwerk gefesselt war. »Hübsch... ah ... guten Abend, Botschafter Bernaux.«
»Guten Abend, Lord Vorob'yev.« Ihr silberhaariger marilacanischer Gastgeber und sein barrayaranischer Kollege nickten einander zu wie zwei gute Bekannte.
Ja, wir meinen auch, daß es sehr schön ist. Ein Geschenk von einem hiesigen Ghem -Lord.
Eine Ehre! Es trägt den Titel >Herbstblätter<. Meine Dechiffrierabteilung hat einen halben Tag über den Namen gerätselt und kam schließlich zu dem Ergebnis, daß er >Herbstblätter< bedeutet.«
Die beiden Männer lachten. Ivan lächelte unsicher, da er den Insider-Witz nicht ganz verstand. Vorob'yev stellte sie Botschafter Bernaux formell vor. Auf ihren Rang reagierte der Marilacaner mit ausgesuchter Höflichkeit, auf ihr jugendliches Alter mit dem Hinweis, wo das Essen zu finden sei, und mit der pointierten Aufforderung, sie sollten sich dort gütlich tun.
Das war der Ivan-Effekt, stellte Miles düster fest. Sie gingen über eine Treppe zu einem Büffet hinauf und waren damit von den persönlichen Bemerkungen abgeschnitten, die die beiden älteren Männer austauschen mochten. Vielleicht handelte es sich dabei nur um gesellschaftliche Artigkeiten, aber trotzdem ...
Miles und Ivan kosteten von den Hors d'oeuvres, die lecker und reichlich waren, und wählten die Getränke. Ivan entschied sich für einen berühmten marilacanischen Wein. Miles dachte an die Folie in seiner Tasche und nahen schwarzen Kaffee. Sie winkten einander stumm zu und trennten sich, damit jeder nach seinem Belieben herumwandern konnte. Miles lehnte sich an das Geländer über der Vorhalle zu den Liftrohren. Er nippte an der zarten Tasse und überlegte, wo deren Warmhalte-Schaltkreis versteckt war - aha, hier am Boden, eingewoben in das metallische Glitzern des Siegels der marilacanischen Botschaft. >Herbstblätter< näherte sich frostig dem Ende seines Zyklus. Das Was ser der rieselnden Quellen gefror (zumindest scheinbar) zu stummem schwarzen Eis. Die wirbelnden Farben verblaßten zum welken Gelb und Silbergrau eines winterlichen Sonnenuntergangs. Die Gestalten, wenn es denn solche waren, ließen jetzt skeletthaft an Verzweiflung denken. Das Geklimper bzw. die Musik erstarb zu einem mißtönenden, gebrochenen Geflüster. Das war kein Winter des Schnees und der Feste, sondern ein Winter des Todes. Miles schauderte unwillkürlich.
Verdammt wirkungsvoll.
Wie sollte er es beginnen, Fragen zu stellen, ohne seinerseits etwas zu enthüllen? Er stellte sich vor, wie er einem Ghem-Lord auf die Pelle rückte:
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