Vorkosigan 07 Cetaganda
Dutzend feiner Schichten aus blendendem Weiß, die an ihr herabfluteten und um ihre Füße wirbelten. Dichtes Silberhaar wallte zu Boden. Ihr Ehemann, Ghem -Admiral Har, dessen massige Gegenwart normalerweise jeden Raum dominiert hätte, schien neben ihr zu verblassen.
Ghem -Admiral Har befehligte die halbe cetagandanische Flotte, und seine - dienstlich bedingt - verspätete Ankunft zu den abschließenden Zeremonien der Bestattung der Kaiserin war der Grund für die Willkommensparty dieses Abends. Er trug seine blutrote kaiserliche Galauniform, die er mit so vielen Medaillen hätte behängen können, daß ihr Gewicht ihn auf den Grund gezogen hätte, falls er damit in tiefes Was ser gefallen wäre. Statt dessen hatte er sich dafür entschieden, beim Wettstreit um Orden allen anderen eine Nasenlänge voraus zu sein, indem er nur Halshand und Medaillon des - täuschend bescheiden klingenden - cetagandanischen Verdienstordens trug. Da Har den anderen Krimskrams weggelassen hatte, konnte der Betrachter diese Ehre unmöglich übersehen.
Oder etwas Entsprechendes aufbieten. Dieser Orden wurde sehr selten und nur aufgrund persönlicher Entscheidung des Kaisers verliehen. Im Kaiserreich von Cetaganda konnte man nur wenige höhere Ehren erlangen. Die Haud-Lady an seiner Seite war jedoch eine davon. Er hatte sie vor etwa vierzig Jahren gewonnen, und Miles kam es so vor, als hätte Lord Har auch sie an seine Uniformjacke gesteckt, wenn er gekonnt hätte. Die Gesichtsbemalung des Ghem-Clans der Har war vor allem orange und grün; den Mustern fehlte es an Bestimmtheit, sie wurden von den tiefen Altersrunzeln des Mannes durchfurcht und bissen sich schrecklich mit dem Rot der Uniform.
Selbst Botschafter Vorob'yev war von Ghem-Admiral Har beeindruckt, wie Miles aus der extremen Förmlichkeit seines Grußes ersehen konnte. Har war höflich, aber sichtlich verdutzt: Was haben diese Aus länder in meinem Garten zu suchen? Doch er fügte sich Lady d'Har, die mit einem leichten, kühlen Kopfnicken Ivan die nervös überreichte Einladung abnahm und ihnen mit einer Altstimme, die vom Alter honigsüß geworden war, kundtat, wo die Speisen und Getränke zu finden seien.
Sie spazierten weiter. Nachdem er sich von dem von Lady d'Har ausgelösten Schock erholt hatte, drehte Ivan den Kopf hin und her und schaute nach den jungen Ghem-Frauen aus, die er kannte, doch vergebens. »Hier gibt's überall nur alte Schachteln«, flüsterte er Miles entsetzt zu. »Mit unserer Ankunft ist das Durchschnittsalter von neunzig auf neunundachtzig gesunken.«
»Neunundachtzigeinhalb, würde ich sagen«, wisperte Miles zurück.
Botschafter Vorob'yev legte einen Finger auf die Lippen und unterdrückte damit jeden weiteren Kommentar, doch in seinen Augen funkelte amüsierte Zu stimmung.
Ganz recht. Das hier war die echte Gesellschaft. Verglichen damit waren Yenaro und seine Kreise wirklich nur schäbige kleine Außenseiter, ausgeschlossen durch Alter, Rang, Reichtum, durch ... alles. Über den Garten war ein halbes Dutzend Kugeln von Haud-Ladies verstreut, die wie blasse Laternen leuchteten. So etwas hatte Miles außerhalb des Himmlischen Gartens noch nicht gesehen. Wie es schien, hielt Lady d'Har gesellschaftlichen Kontakt zu ihren Haud-Verwandten oder früheren Verwandten. Rian - hier? Miles wünschte es sich innig.
»Ich wünschte, ich hätte Maz mitbringen können« seufzte Vorob'yev bedauernd. »Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Lord Ivan?«
»Nicht ich«, wehrte Ivan ab und wies mit dem Daumen auf Miles.
Vorob'yev hob fragend die Augenbrauen.
Miles zuckte die Achseln. »Man hat mir gesagt, ich solle die Machthierarchie studieren. Der begegnet man doch hier, nicht wahr?« Genaugenommen war er sich dessen nicht mehr so sicher.
Wo lag die Macht in dieser verknäuelten Gesellschaft? Bei den Ghem-Lords, hätte er einst ohne zu zögern gesagt, denn sie kontrollierten die Waffen, die ultimative Bedrohung durch Gewalt. Oder bei den Haud-Lords, die die Ghem kontrollierten, mit welchen indirekten Mitteln auch immer. Sicher nicht bei den abgeschieden lebenden HaudFrauen. War ihr Wissen denn eine Art der Macht? Eine sehr fragile Macht. War fragile Macht nicht ein Oxymoron? Die Sternenkrippe existierte, weil der Kaiser sie schützte; der Kaiser existierte, weil die Ghem-Lords ihm dienten. Doch die HaudFrauen hatten den Kaiser geschaffen ...
hatten die Haud selbst geschaffen ... hatten schließlich die Ghem geschaffen. Macht zum Schaffen... Macht zum
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