Vorkosigan 09 Waffenbrüder
auf, Miles!«
Miles streckte den Kopf heraus und kniff die Augen gegen das Licht zusammen. »Warum? Wie spät ist es?«
»Etwa Mitternacht.«
»Oh.« Er tauchte wieder unter den Pelz. Nach dem, was er in den letzten vier Tagen erlebt hatte, zählten drei Stunden Schlaf kaum. Doch Ivan legte eine grausame und rücksichtslose Seite an 252
den Tag, die Miles nie an ihm vermutet hätte, zog den lebenden Pelz aus Miles' zuckenden Händen und warf ihn beiseite.
»Du mußt aufstehen.« Ivan ließ nicht locker. »Dich anziehen.
Dir den Bart rasieren. Ich hoffe, du hast hier irgendwo eine saubere Uniform …«, er begann Miles' Schrank zu durchwühlen. »Hier!«
Miles griff benommen nach dem grünen Tuch, das Ivan ihm
zuwarf. »Steht die Botschaft in Flammen?«, wollte er wissen.
»Nein, aber es kommt dem verdammt nahe. Elena Bothari-Jesek ist gerade von Tau Ceti hereingeschneit. Ich wußte nicht einmal, daß du sie weggeschickt hattest!«
»Oh!« Miles erwachte vollends. Quinn war inzwischen komplett angezogen, einschließlich der Stiefel, und überprüfte ihren Betäuber in seinem Halfter. »Ja, da muß ich mich anziehen, gewiß.
Aber der Bart wird ihr nichts ausmachen.«
»Sie kratzt er ja nicht«, murmelte Elli und kratzte sich zerstreut am Schenkel. Miles unterdrückte ein Grinsen; sie zwinkerte ihm mit einem Augenlid zu.
»Vielleicht nicht«, sagte Ivan grimmig, »aber ich glaube,
Kommodore Destang wird nicht sehr begeistert sein.«
»Destang ist hier?« Jetzt war Miles hellwach. Anscheinend war immer noch etwas Adrenalin übrig. »Warum?« Dann erinnerte er sich an einige der Verdachtsmomente, die er in seinen Bericht eingearbeitet hatte, und ihm wurde klar, warum der Sicherheitschef von Sektor Zwei auf den Gedanken gekommen sein konnte, die Sache höchstpersönlich zu untersuchen.
»O Gott … ich muß ihn aufklären, bevor er den armen Galeni
ohne Warnung niederschießt …«
Er stellte die Dusche auf kalt und auf nadelfeine Wasserstrahlen ein. Elli schob ihm einen Becher Kaffee in die Hand, als er das Bad verließ, und inspizierte ihn, als er angezogen war.
»Alles in Ordnung, abgesehen vom Gesicht«, informierte sie
ihn, »und dagegen kannst du nichts tun.«
253
Er fuhr sich mit der Hand über das jetzt nackte Kinn. »Habe ich mit dem Depilator eine Stelle vergessen?«
»Nein, ich hab' die blauen Flecken bewundert. Und die Augen.
Selbst bei einem drogensüchtigen Juba-Freak, der drei Tage keinen Nachschub mehr bekommen hat, habe ich schon glänzendere Augen gesehen.«
»Danke.«
»Du hast mich ja danach gefragt.«
Während sie in den Liftrohren nach unten fuhren, überlegte
Miles, was er über Destang wußte. Seine bisherigen Kontakte mit dem Kommodore waren kurz, offiziell und, soweit Miles wußte, für beide Seiten zufriedenstellend gewesen. Der Sicherheitsbefehlshaber von Sektor Zwei war ein erfahrener Offizier, gewöhnt, seine vielfältigen Pflichten zu erfüllen – Koordination der Informationsbeschaffung, Überwachung der Sicherheit barrayaranischer Botschaften und Konsulate sowie zu Besuch weilender VIPs, gelegentlich die Rettung barrayaranischer Untertanen aus
Schwierigkeiten – mit wenig direkter Kontrolle aus dem fernen Barrayar. Während der zwei oder drei Operationen, die die Dendarii in Gebieten des Sektors Zwei durchgeführt hatten, waren Befehle und Gelder und auf dem Rückweg Miles' Abschlußberichte problemlos durch Destangs Hände gegangen.
Als Miles, Ivan und Elli Galenis Büro betraten, saß Kommodore Destang mitten im Raum in Galenis Bürostuhl vor Galenis aktivierter Komkonsole. Hauptmann Galeni stand daneben, obwohl es an der Wand noch zusätzliche Stühle gab. Seine steife Haltung wirkte wie eine Rüstung, er hatte die Augen gesenkt, und sein Gesicht war so ausdruckslos wie ein Visier. Elena Bothari-Jesek hielt sich unsicher im Hintergrund, mit dem besorgten Gesichtsausdruck eines Menschen, der Zeuge einer Kette von
Ereignissen war, die er zwar ausgelöst hatte, aber nicht mehr kontrollieren konnte. Als sie Miles sah, leuchteten ihre Augen erleichtert auf, und sie salutierte – was nicht korrekt war, da er keine Dendarii-Uniform trug; der Gruß glich mehr einer stummen Übertragung der Verantwortung, wie bei jemandem, der sich einen 254
Sack mit lebendigen Schlangen vom Hals schaffte: Hier, das gehört alles dir…
Er nickte ihr zu: Schon gut!
»Sir.« Miles salutierte.
Destang erwiderte den Gruß und blickte ihn finster an. In einem Anflug von Nostalgie
Weitere Kostenlose Bücher