Vorkosigan 09 Waffenbrüder
er mit seiner Vermutung falsch lag, o weh! Unter
seinem Stiefel würde es glitsch! machen, die Bürgermeistersgattin würde zurückzucken, und der Sohn des Premierministers von
Barrayar hätte sich auf der Stelle den Ruf eines jungen Mannes mit ernsten emotionalen Problemen erworben … Er stellte sich vor, wie er der entsetzten Frau zukrächzte, während am Boden die Eingeweide aus dem Fisch quollen: »Ha! Sie sollten erstmal sehen, was ich mit kleinen Katzen mache!«
Der große Goldfisch kam endlich träge nach oben und
schnappte einen Krumen. Dabei spritzten einige Tropfen auf Miles' gewienerte Stiefel. Danke, Goldfisch, sagte Miles zu ihm in Gedanken, du hast mich gerade vor einer erheblichen gesellschaftlichen Peinlichkeit bewahrt. Natürlich, wenn die cetagandanischen Handwerker wirklich clever wären, dann hätten sie einen mechanischen Fisch gebaut, der wirklich fraß und auch etwas ausschied …
Die Gattin des Bürgermeisters hatte gerade eine weitere neugierige Frage über Ivan gestellt, die Miles in seiner Versunkenheit 50
nicht ganz mitbekommen hatte. »Ja, das mit seiner Krankheit ist sehr unerfreulich«, schnurrte Miles und setzte zu einem Monolog an, in dem er Ivans Gene schlechtmachen wollte, unter Erwähnung von aristokratischer Inzucht, Gebieten radioaktiver Verseuchung nach dem Ersten Cetagandanischen Krieg und von Kaiser Yuri
dem Wahnsinnigen, als der gesicherte Kommunikator in seiner Tasche piepste.
»Entschuldigen Sie, Madame, man ruft nach mir.« Dank dir, Elli, dachte er, als er die Matrone verließ und sich eine ruhige Ecke suchte, um den Ruf zu beantworten. Keine Cetagandaner in Sicht.
Er fand eine unbesetzte Nische auf der zweiten Ebene, die von grünen Pflanzen abgeschirmt wurde, und aktivierte den Kanal.
»Ja, Kommandantin Quinn?«
»Miles, Gott sei Dank.« Ihre Stimme klang nach Eile. »Wir
scheinen auf dem Planeten Schwierigkeiten zu haben, und du bist der nächste Dendarii-Offizier.«
»Was für Schwierigkeiten?« Das gefiel ihm nicht. Normalerweise tendierte Elli nicht zu panischen Übertreibungen. Sein Magen krampfte sich nervös zusammen.
»Ich konnte keine zuverlässigen Details bekommen, aber es
sieht so aus, als hätten sich vier oder fünf unserer Soldaten auf Urlaub drunten in London in einer Art Laden mit einer Geisel verbarrikadiert und leisteten jetzt der Polizei Widerstand. Sie sind bewaffnet.«
»Unsere Leute oder die Polizei?«
»Beide, unglücklicherweise. Der Polizeikommandant, mit dem
ich sprach, hörte sich so an, als bereitete er sich auf einen blutigen Ausgang vor. Und das für sehr bald.«
»Schlimm, schlimm. Was, zum Teufel, glauben denn die, was
sie da machen?«
»Verdammt, wenn ich es nur wüßte. Ich bin im Augenblick
noch im Orbit und bereite mich darauf vor, nach unten zu fliegen, aber es wird eine dreiviertel bis ganze Stunde dauern, bis ich unten ankommen kann. Tung ist noch schlimmer dran; er brauchte einen 51
suborbitalen Flug von zwei Stunden von Brasilien her. Aber ich glaube, du könntest in etwa zehn Minuten dort sein. Hier, ich tippe dir die Adresse in deinen Kommunikator.«
»Wie haben unsere Leute die Erlaubnis bekommen, Dendarii-Waffen von Bord zu nehmen?«
»Eine gute Frage, aber ich fürchte, die müssen wir uns für die Nachuntersuchung aufheben. Sozusagen«, sagte sie grimmig.
»Findest du den Ort?«
Miles warf einen Blick auf die Adresse auf seinem Display.
»Ich glaube schon. Ich treffe dich dann dort.« Irgendwie …
»Okay. Quinn Ende.« Die Verbindung brach ab.
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KAPITEL 3
Miles steckte den Kommunikator in die Tasche und blickte sich im Vestibül um. Der Empfang hatte seinen Höhepunkt erreicht. Es waren vielleicht hundert Leute zugegen, in einer blendenden Vielfalt irdischer und galaktischer Moden, mit einem gewissen Einsprengsel von Uniformen (außer denen der Barrayaraner).
Einige der früh Angekommenen gingen schon wieder und wurden von ihren barrayaranischen Begleitern an den Sicherheitskontrollen vorbeieskortiert. Die Cetagandaner schienen wirklich schon gegangen zu sein, zusammen mit ihren Freunden. Bei seiner
Flucht mußte Miles die Gunst der Stunde nutzen.
Ivan plauderte immer noch drunten am Brunnen mit seiner
schönen Begleiterin. Miles störte ihn rücksichtslos.
»Ivan, sei in fünf Minuten am Haupteingang.«
»Was?«
»Ein Notfall. Ich erkläre es dir später.«
»Was für eine Art von …«, begann Ivan, aber Miles schlüpfte schon aus dem Raum und machte sich auf den Weg zu den
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