Vorkosigan 09 Waffenbrüder
eigenen Arzte wußten nicht, was dabei herauskommen
würde, bis es vorbei war.«
»Das Duplikat richtig hinzubekommen muß schwierig gewesen
sein. Aber offensichtlich nicht unmöglich. Vielleicht stellt das …
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Individuum, das wir gesehen haben, den letzten in einer Reihe von Versuchen dar.«
»Was hat man in diesem Fall mit den abgelehnten Individuen
gemacht?«, fragte Miles heftig. Seine Phantasie malte ihm eine Parade von Klonen aus, wie eine umgekehrt ablaufende Illustrationenfolge der Evolution: der aufrecht gehende Cro-Magnon-Mensch a la Ivan, der dann über einige Missing links in einen schimpansenähnlichen Miles überging.
»Ich stelle mir vor, sie wurden beseitigt.« Galenis Stimme war hoch und sanft; sie leugnete den Schrecken nicht, sondern trotzte ihm.
Miles' Unterleib bebte. »Erbarmungslos.«
»O ja«, stimmte Galeni im gleichen sanften Ton zu.
Miles suchte nach einer Logik. »In diesem Fall müßte er – der Klon …« – mein Zwillingsbruder, fügte er in Gedanken hinzu –»bedeutend jünger sein als ich.«
»Einige Jahre«, stimmte Galeni zu. »Vermutlich sechs.«
»Warum sechs?«
»Das ergibt die Arithmetik. Sie waren etwa sechs Jahre alt, als die komarranische Revolte zu Ende ging. Das wäre der Zeitpunkt gewesen, zu dem diese Gruppe gezwungen gewesen wäre, ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen, weniger direkten Plan für einen Angriff auf Barrayar zu richten. Die Idee hätte sie vorher nicht interessiert. Hätte es viel später begonnen, dann wäre der Klon noch zu jung, um Sie zu ersetzen, selbst bei beschleunigtem Wachstum. Zu jung, um das Ganze durchzustehen. Es scheint, er mußte sich schon einige Zeit wie Sie benehmen und wie Sie aussehen.«
»Aber warum überhaupt ein Klon? Warum ein Klon von mir?«
»Ich glaube, man beabsichtigt mit ihm eine Sabotageaktion, die mit einem Aufstand auf Komarr abgestimmt ist.«
»Barrayar wird nie Komarr aufgeben. Niemals. Ihr seid unser Vordereingang.«
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»Das weiß ich«, sagte Galeni müde. »Aber einige Leute würden lieber unsere Kuppeln in Blut ertränken, als aus der Geschichte zu lernen. Oder als überhaupt etwas zu lernen.« Er blickte unwillkürlich zum Licht hoch.
Miles schluckte, nahm seinen ganzen Willen zusammen und
sprach in das Schweigen: »Wie lange haben Sie schon gewußt, daß Ihr Vater nicht mit dieser Bombe in die Luft gegangen ist?«
Galeni warf ihm einen Blick zu, der einem Blitz glich; sein Leib erstarrte, dann entspannte er sich wieder, sofern man eine so knirschende Bewegung Entspannung nennen konnte. Aber er sagte bloß: »Fünf Tage.« Nach einiger Zeit fügte er hinzu: »Wie haben Sie das herausbekommen?«
»Wir sind in Ihre persönlichen Dateien eingestiegen. Er war Ihr einziger naher Verwandter ohne Totenschein.«
»Wir hatten geglaubt, er sei tot.« Galenis Stimme klang distanziert und gleichmütig. »Mein Bruder war sicher tot. Barrayaranische Sicherheitsleute kamen und holten mich und meine Mutter, damit wir die sterblichen Überreste identifizierten. Es war nicht viel übriggeblieben. Es brauchte nicht viel, um zu glauben, daß buchstäblich nichts von meinem Vater übriggeblieben war, der nach den Berichten viel näher am Zentrum der Explosion drangewesen war.«
Der Mann war durcheinander, seine Nerven lagen offen vor
Miles' Augen. Miles fand, es würde ihm kein Vergnügen bereiten zu beobachten, wie Galeni zusammenbrach. Das wäre Verschwendung an einem Offizier, vom Standpunkt des Kaiserreiches aus gesehen. Wie ein Meuchelmord. Oder wie eine Abtreibung.
»Mein Vater sprach beständig von Komarrs Freiheit«, fuhr
Galeni sanft fort. Sagte er das zu Miles, zum Lichtschlitz, zu sich selbst? »Von den Opfern, die wir alle der Freiheit vom Komarr zu bringen hätten. Opfer war ein wichtiges Thema für ihn. Opfer an Menschen oder sonstigem. Aber er schien sich nie sehr viel um die Freiheit irgendwelcher Leute auf Komarr zu kümmern. Erst an dem Tag, als die Revolte scheiterte, wurde ich ein freier Mann. Der 169
Tag, an dem er starb. Frei, die Welt mit meinen eigenen Augen zu sehen, meine eigenen Urteile zu fällen, mein eigenes Leben zu wählen. Oder wenigstens dachte ich das. Das Leben …« – Galenis Stimme klang unendlich sarkastisch – »ist voll von Überraschungen.« Er blickte mit einem füchsischen Lächeln zum Lichtschlitz empor.
Miles preßte die Augen zu und versuchte klar zu denken. Das war nicht einfach, während Galeni zwei Meter entfernt saß und eine mörderische
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