Vorkosigan 11 Spiegeltanz
sein.«
Duschen. Essen. Er war so gierig, daß er schon fast jenseits des Hungers war, betäubt im Bauch, lustlos im Leib. Und ihm war kalt.
»Ich kann nur sagen«, meinte Quinn, »daß er eine verdammt armselige Imitation des echten Miles Vorkosigan ist.«
Ja, das habe ich euch ja versucht zu sagen.
Bothari-Jesek schüttelte den Kopf. Vermutlich stimmte sie wütend zu. »Los, komm!«, sagte sie zu ihm.
Sie begleitete ihn zu einer Offizierskabine, die zwar klein war, aber – Gott sei Dank! – für ihn allein. Sie war unbenutzt, blank und sauber, militärisch nüchtern. Die Luft roch ein bißchen muffig.
Vermutlich war Thorne irgendwo in der Nähe ähnlich untergebracht.
»Ich werde dir etwas Sauberes zum Anziehen von der Ariel herüberschicken lassen. Und ich lasse dir Essen bringen.«
»Essen zuerst – bitte?«
»Gewiß.«
»Warum bist du jetzt freundlich zu mir?« Seine Stimme klang klagend und mißtrauisch, und er fürchtete, er würde deshalb schwach und paranoid erscheinen.
Ihr Adlergesicht wurde nachdenklich. »Ich möchte wissen …
wer du bist. Was du bist.«
194
»Das weißt du. Ich bin ein erzeugter Klon. Erzeugt hier auf Jackson's Whole.«
»Ich meine nicht deinen Körper.«
Er kauerte sich in einer automatischen Verteidigungsstellung zusammen, obwohl er wußte, daß dadurch seine Mißbildung betont wurde.
»Du bist sehr verschlossen«, stellte sie fest. »Sehr allein. Das ist überhaupt nicht wie Miles. Gewöhnlich.«
»Er ist nicht ein Mann, er ist eine ganze Bande. Er hat eine ganze verdammte Armee im Schlepptau.« Ganz zu schweigen von dem nervenden Harem. »Ich nehme an, ihm gefällt es so.«
Auf ihren Lippen erschien ein unerwartetes Lächeln. Es war das erstemal, daß er sie lächeln sah. Es veränderte ihr Gesicht. »Ja, es gefällt ihm, glaube ich.« Ihr Lächeln erlosch. »Gefiel.«
»Du tust das für ihn, nicht wahr? Du behandelst mich so, weil du glaubst, er würde es wollen.« Nicht um seiner selbst willen, nein, niemals, aber alles für Miles und seine verdammte Bruder-Obsession.
»Zum Teil.«
Stimmt.
»Aber vor allem«, sagte sie, »weil eines Tages Gräfin Vorkosigan mich fragen wird, was ich für ihren Sohn getan habe.«
»Ihr plant, Baron Bharaputra gegen ihn auszutauschen, nicht wahr?«
»Mark …«, in ihren Augen erschien etwas Dunkles … Mitleid?
Ironie? Er konnte es nicht entziffern. »Sie wird dich meinen.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und überließ ihn sich selbst, eingeschlossen in der Kabine.
195
Er duschte so heiß, wie es die winzige Warmwassereinheit erlaubte, und stand viele Minuten in der Hitze des Trocknergebläses, bis seine Haut krebsrot war. Erst dann hörte er auf zu zittern. Ihm war schwindlig vor Erschöpfung. Als er endlich aus der Naßzelle herauskam, stellte er fest, daß jemand dagewesen und wieder gegangen war und Kleider und Essen gebracht hatte. Er zog sich hastig an: Unterwäsche, ein schwarzes Dendarii-T-Shirt und ein Paar der grauen Hosen seines Originals. Dann machte er sich über das Abendessen her. Diesmal war es keine exquisite spezielle Naismith-Diät, sondern ein Tablett mit Standardrationen von Fertiggerichten, die entwickelt waren, um einen großen und körperlich aktiven Kämpfer bei Kräften zu halten. Weit entfernt von Gourmetkost, aber zum ersten Mal seit Wochen hatte er genug zum Essen auf dem Teller. Er verschlang alles, als hätte es eine Fee gebracht, die jeden Augenblick erscheinen und es ihm wieder wegnehmen könnte. Mit Bauchschmerzen rollte er sich ins Bett und legte sich auf die Seite. Er zitterte nicht mehr vor Kälte und fühlte sich auch nicht mehr erschöpft und verschwitzt und zitterig wegen des niedrigen Blutzuckerspiegels. Doch eine Art von psychischem Nachhall rollte wie eine schwarze Flut durch seinen Körper.
Wenigstens hast du die Klons herausgeholt.
Nein. Miles hat die Klons herausgeholt.
Verdammt, verdammt, verdammt …
Dieses schwachsinnige Desaster war nicht die glorreiche Befreiung, von der er geträumt hatte. Doch was hatte er für Folgen erwartet? In all seinen verzweifelten Überlegungen hatte er fast nichts geplant, was über seine vorgesehene Rückkehr mit der Ariel nach Escobar hinausging. Nach Escobar, grinsend und die Klons unter seinen Fittichen. Er hatte sich vorgestellt, daß er es dann mit 196
einem wütenden Miles zu tun haben würde, aber dann wäre es für Miles zu spät gewesen, um ihn aufzuhalten, zu spät, um ihm den Sieg noch zu entreißen. Er hatte halb
Weitere Kostenlose Bücher