Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Planung der Eventualitäten beginnen. »Sehr gut. Ich werde mich bereithalten.« Illyan entließ ihn mit einem Nicken. Doch als Miles sich umwandte, fügte er hinzu: »Leutnant …« Miles drehte sich wieder um.
»Sind Sie heute abend hierhergefahren?« »Ja, das heißt, Hauptmann Galeni saß am Steuer.« »Aha.« Illyan schien etwas zu entdecken, das ihn leicht interessierte. Er blickte über Miles’ Scheitel hinweg. »Dieser Galeni ist auf Draht.« »Ich glaube schon.« Miles gab es auf, an diesem Abend noch etwas aus Illyan herauszulocken und eilte hinter seinen Freunden her.
Er fand sie alle in dem breiten Korridor vor dem Gläsernen Saal, wo sie auf ihn warteten; Galeni plauderte freundlich mit Delia, die keine Eile zu haben schien, hineinzugehen und Ivan und ihre Schwester zu finden. Laisa blickte sich offensichtlich fasziniert unter den handgearbeiteten Antiquitäten und den Teppichen mit den raffinierten Farbmustern um, die den Korridor säumten. Miles spazierte mit ihr zu einer polierten Tischplatte, wo sie die kunstvolle, meisterlich gearbeitete Intarsie studierten, eine Szene mit galoppierenden Pferden in den natürlichen Farbschattierungen verschiedener Holzarten.
»Das ist alles so höchst barrayaranisch«, vertraute sie Miles an.
»Entspricht es Ihren Erwartungen?« »Ja, gewiß. Was meinen Sie, wie alt dieser Tisch ist – was ist dem Handwerker durch den Kopf gegangen, der ihn geschaffen hat? Glauben Sie, er hat sich jemals uns vorgestellt, wie wir uns ihn vorstellen?« Ihre sensibel wirkenden Finger fuhren über die polierte Fläche, die nach feinem, aromatischem Wachs duftete, und sie lächelte.
»Etwa zweihundert Jahre, und: nein, vermute ich mal«, erwiderte Miles.
»Mm.« Ihr Lächeln wurde nachdenklicher. »Einige unserer Kuppeln sind über vierhundert Jahre alt. Und doch kommt uns Barrayar älter vor, selbst wenn es das nicht ist. An euch ist etwas von Natur aus Archaisches, meine ich.« Miles dachte kurz an die Natur ihrer Heimatwelt. Nach weiteren vierhundert Jahren würde das Terraformen Komarr vielleicht allmählich außerhalb der Kuppeln für Menschen mit Atemmasken bewohnbar machen. Derzeit lebten die Komarraner alle zusammen in überwölbten Ökosystemen und waren in der lähmenden Kälte ihres Planeten zum Überleben so abhängig von ihrer Technik wie die Betaner auf ihrer grellheißen Wüstenwelt. Komarr hatte kein Zeitalter der Isolation erlebt, war nie vom Hauptstrom der galaktischen Entwicklungen abgeschnitten gewesen.
Tatsächlich lebte es davon, daß es in diesem Strom fischte; seine einzigen bedeutenden natürlichen Ressourcen waren sechs wichtige Wurmloch-Sprungpunkte in naher und damit praktischer Nachbarschaft zueinander. Die Sprungpunkte hatten den komarranischen Lokalraum zu einer Kreuzung des Wurmlochnexus gemacht, und schließlich unglücklicherweise auch zu einem strategischen Ziel. Barrayar hatte genau eine Wurmlochsprungroute, die es mit dem galaktischen Nexus verband – und die ging über Komarr. Wenn man sich nicht sein eigenes Tor offenhielt, dann würden die, die es kontrollierten, über einen verfügen.
Miles holte seine Gedanken auf eine kleine und mehr persönlich-menschliche Ebene zurück. Galeni sollte einmal seine Dame zu einem Ausflug in der freien Luft Barrayars ausführen. Sie würde sicher diese riesigen Strecken von unkomarranischer Wildnis genießen. Zum Beispiel auf einer Wanderung, oder falls sie wirklich das Archaische vorzog … »Sie sollten mal mit Duv einen Reitausflug machen«, schlug er vor.
»Du lieber Himmel! Kann er auch reiten?« Ihre erstaunlichen türkisfarbenen Augen weiteten sich.
»Äh …« Eine gute Frage. Na ja, wenn nicht, dann konnte Miles ihm einen Schnellkurs geben. »Sicherlich.« »Das von Natur aus Archaische wirkt auf mich so …« – sie dämpfte ihre Stimme zu einem vertraulichen Ton – »… von Natur aus romantisch. Aber erzählen Sie Duv nicht, daß ich das gesagt habe. Er ist so pedantisch, wenn es um historische Genauigkeit geht. Das erste, was er tut, ist, den ganzen märchenhaften Staub wegzublasen.« Miles grinste. »Das überrascht mich nicht. Aber ich dachte, Sie seien selbst der Typ der praktisch eingestellten Geschäftsfrau.« Ihr Lächeln wurde ernster. »Ich bin Komarranerin. Da muß ich das sein. Ohne den Mehrwert aus Handel, Arbeit, Transport, Bankwesen und Remanufacturing würde Komarr wieder auf das verzweifelte Subsistenzniveau (und noch tiefer) zurückfallen, aus dem es sich erhoben hat.
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