Vorkosigan 13 Komarr
überrascht. »Er ist jetzt Ihr Chefingenieur – beunruhigt Sie das nicht?«
»Soudha«, erklärte Madame Radovas scharf, »hat keine Kinder. Er wollte warten und es später noch einmal
versuchen, als ob es ein Später gäbe. Wenn wir nicht jetzt zuschlagen, wird der KBS binnen kurzem alle unsere
Verwandten als Geiseln nehmen. Aber wenn wir das
Wurmloch schließen und sterben, dann wird niemand übrig bleiben, den der KBS mit Repressalien gegen seine Angehörigen bedrohen kann. Meine Kinder werden sicherer sein, selbst wenn ich sie niemals wiedersehe.« Ihre Augen blickten düster und aufrichtig.
»Was ist mit all den Barrayaranern auf Komarr und
Sergyar, die ihre Familien nicht wiedersehen werden?
Abgeschnitten, ohne überhaupt etwas von deren Schicksal zu wissen …« Ich von meiner zum Beispiel. »Sie werden für einander so gut wie tot sein. Es wird wieder ein Zeitalter der Isolation kommen.« Sie zitterte vor Schrecken angesichts der kaskadenartig über sie hereinbrechenden Vorstellungen von Erschrecken und Trauer.
»So seien Sie doch froh, dass Sie sich auf der guten Seite des Wurmlochs befinden«, versetzte Madame
Radovas. Ekaterin starrte sie kühl an, und sie ließ sich etwas erweichen. »Es wird überhaupt nicht so sein wie in 523
Ihrem alten Zeitalter der Isolation. Sie haben jetzt eine voll entwickelte planetarische Industrie, und eine viel größere Bevölkerung, die hundert Jahre lang einen Zufluss neuer Gene erlebt hat. Es gibt eine Menge anderer Welten, die kaum einen galaktischen Kontakt aufrechterhalten, und sie kommen durchaus gut zurecht.«
Die Professora öffnete ihre Augen zu Schlitzen. »Ich glaube, Sie unterschätzen die psychologischen Auswirkungen.«
»Was ihr Barrayaraner einander danach antut, unterliegt nicht meiner Verantwortung«, sagte Madame Radovas.
»Solange ihr es nie mehr uns antun könnt.«
»Wie… erwarten Sie zu sterben?«, fragte Ekaterin.
»Wollen Sie zusammen Gift schlucken? Durch eine Luftschleuse hinausgehen?« Und werden Sie uns als Erste töten?
»Ich erwarte, dass ihr Barrayaraner euch um diese
Details kümmert, wenn ihr herausbringt, was passiert ist«, sagte Madame Radovas. »Foscol und Cappell meinen, wir werden danach entkommen oder dass man uns vielleicht erlauben wird, uns zu ergeben. Ich glaube, es wird eine Wiederholung des Massakers von Solstice geben. Wir
haben sogar unseren ganz eigenen Vorkosigan dafür da.
Ich habe keine Angst.« Sie zögerte, als dächte sie über ihre tapferen Worte nach. »Oder auf jeden Fall bin ich zu müde, um mir noch Sorgen zu machen.«
Das konnte Ekaterin verstehen. Da sie aber der Komarranerin nicht zustimmen wollte, schwieg sie und starrte blicklos in die Ladebucht hinaus.
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Leidenschaftslos dachte sie über ihre eigene Angst nach.
Ihr Herz pochte, ja, ihr Magen verkrampfte sich und ihr Atem ging etwas zu schnell. Doch diese Leute erschreckten sie tief drinnen nicht auch annähernd so sehr, wie sie es Ekaterins Meinung nach eigentlich hätten tun sollen.
Irgendwann, kurz nachdem einer von seinen unbegreiflichen, peinlichen Eifersuchtsanfällen abgeflaut war, hatte Tien ihr ernsthaft versichert, er habe eines Nachts seinen Nervendisruptor (den er illegal besessen hatte, denn er trug ihn nicht auf Erlass ihres Distriktslehensherrn) von einer Brücke geworfen und sei ihn so losgeworden. Ekaterin hatte nicht einmal gewusst, dass er einen besessen hatte.
Diese Komarraner waren verzweifelt und in ihrer
Verzweiflung gefährlich. Aber sie hatte neben Dingen geschlafen, die ihr mehr Angst einjagten als Soudha und alle seine Freunde. Wie komisch ich mir vorkomme.
Es gab in der barrayaranischen Überlieferung eine
Geschichte über einen Mutanten, den man nicht töten konnte, weil er sein Herz in einer Schatulle auf einer geheimen Insel weit weg von seiner Festung verbarg.
Natürlich brachte der junge Vor-Held die gefangene Maid des Mutanten dazu, ihm das Geheimnis zu verraten; er stahl das Herz, und der arme Mutant fand sein übliches schlimmes Ende. Vielleicht lähmte Ekaterins Angst sie nicht, weil Nikki ihr Herz war und sich weit weg in Sicherheit befand. Oder vielleicht lag es daran, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben ganz im Besitz ihrer selbst war.
Ein paar Meter entfernt trat Soudha erneut zu dem
Apparat, aktivierte mit der Fernsteuerung die Schwebe525
bühne und korrigierte geringfügig ihre Position. Cappell rief eine Frage von der anderen Seite der Bucht, Soudha legte die Fernsteuerung am
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