Vorkosigan 13 Komarr
Rand der Bühne ab, ging zu einem der Stromkabel hinüber und untersuchte es eingehend, bis er die Steckdose in der Wand erreichte, wegen der Cappell so viel Wirbel machte. Sie steckten ihre Köpfe über einem Wackelkontakt oder etwas Ähnlichem zusammen. Cappell rief dem Mann in der Glaskabine eine Frage zu. Der schüttelte den Kopf und kam zu ihnen heraus.
Wenn ich darüber nachdenke, dann ist die Chance dahin. Wenn ich darüber nachdenke, dann wird sogar mein Mutantenherz mich im Stich lassen.
Hatte sie das Recht, so viel allein zu riskieren? Das war die wirkliche Angst, ja, und sie verunsicherte Ekaterin bis in ihren Wesenskern. Das war keine Aufgabe für sie, eine Frau. Das war eine Aufgabe für den KBS, die Polizei, die Armee, für einen Vor-Helden, für alle außer ihr. Die nicht hier sind. Doch wenn sie es versuchte und versagte, dann versagte sie für ganz Barrayar, für alle Zeit. Und wer würde sich um Nikki kümmern, wenn er im Laufe von
kaum einer Woche beide Eltern verlor? Das Sicherste wäre zu warten, bis kompetente männliche Erwachsene sie
retteten.
Wie Tien, was?
»Wird es dir wärmer, Tante Vorthys?«, fragte Ekaterin.
»Zitterst du noch?« Sie stand auf und beugte sich mit dem Rücken zu Madame Radovas über ihre Tante und tat so, als zöge sie die Decke straffer, während sie sie in Wirklichkeit lockerte. Madame Radovas war kleiner als Ekaterin und schmächtiger und fünfundzwanzig Jahre älter. Jetzt, 526
flüsterte Ekaterin der Professora zu.
Mit einer geschmeidigen, doch nicht plötzlichen
Bewegung drehte sie sich um, ging auf Madame Radovas zu und warf ihr die Decke über den Kopf, während die Frau aufsprang. Noch zwei Schritte, und Ekaterin konnte ihre Arme um die kleinere Frau schlingen und deren Arme an die Seiten drücken. Der Betäuberstrahl blitzte surrend auf den Boden zu ihren Füßen. Der Nimbus kribbelte über Ekaterins Beine. Sie hob Madame Radovas hoch und
schüttelte sie. Der Betäuber fiel scheppernd auf den Boden, und Ekaterin stieß ihn ihrer Tante zu, die sich mühsam auf ihrem Feldbett aufsetzte. Ekaterin schleuderte die von der Decke umhüllte Komarranerin so heftig von sich weg, wie sie nur konnte, drehte sich um und sprintete auf die Schwebebühne zu.
Sie schnappte sich die Fernsteuerung, wirbelte herum und rannte, so schnell ihre Beine sie trugen, auf die gläserne Steuerkabine zu, wobei sie ihre schwitzenden nackten Füße fest auf die glatte Oberfläche setzte. Die Männer an der Steckdose in der Wand schrien und liefen auf sie zu. Ekaterin schaute sich nicht um.
Sie hechtete um die Ecke und nahm die zwei Stufen zu der Kabine in einem Sprung. Hektisch drückte sie die Türsteuerung. Die Gleittür brauchte eine kleine Ewigkeit, bis sie sich schloss. Cappell war schon fast an den Stufen, als es ihr nach zwei Versuchen mit ihren zitternden Fingern gelang, das Schloss zu aktivieren. Cappell prallte mit einem lauten Bums gegen die Tür und begann
dagegenzutrommeln.
Ekaterin wagte nicht zurückzublicken, um zu sehen, was 527
mit der Professora geschah. Stattdessen hob sie die Fernsteuerung und richtete sie durch das Glas auf die Schwebebühne. Die Steuerung bestand aus sechs Tasten und einem Knauf mit vier Zacken. Bei dieser Art von Koordination war sie nie gut gewesen. Glücklicherweise ging es jetzt nicht um Feinheiten.
Mit dem dritten Fingerdruck fand sie die Nach-oben-Tasle. Allzu langsam begann sich die Schwebebühne vom Deck der Ladebucht zu heben. Vielleicht gab es da
irgendwelche Sensoren, die sie waagrecht hielten; die ersten vier Kombinationen, die sie versuchte, schienen nichts zu bewirken. Schließlich gelang es ihr, das Ding zum Rotieren zu bringen. Es bumste gegen die Laufplanken an der Decke des Raums und machte dabei hässlich knirschende Geräusche. Gut. Stromkabel schnellten davon und peitschten herum; der Fremde wich nur mit Mühe den sprühenden Funken aus. Soudha schrie und
versuchte vor ihr an der Glaswand hochzuspringen. Sie hörte ihn kaum. Das Glas sollte ja schließlich dem Vakuum standhalten. Er kroch zurück und zielte mit einem Betäuber auf sie. Der Strahl klatschte harmlos vom Fenster ab.
Schließlich gelang es ihr, das Sensorprogramm in dem kleinen Display der Fernsteuerung anzuzeigen. Sie widerrief die laufenden Instruktionen, und dann wurde die Bühne lebhafter. Ekaterin hatte erreicht, dass die Bühne sich fast um 180 Grad von unten nach oben gedreht hatte.
Dann schaltete sie die Stromversorgung der Bühne aus.
Die
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