Vorkosigan 13 Komarr
lieber gewesen. Sie tat so, als döste sie schon in postkoitaler Mattigkeit, bis sein Schnarchen ihr versicherte, dass er schlief. Dann ging sie ins Badezimmer und weinte.
Ein dummes, irrationales Weinen. Sie erstickte es in einem Handtuch, damit er oder Nikki oder ihre Gäste nichts hörten und neugierig wurden. Ich hasse ihn. Ich hasse mich. Ich hasse ihn dafür, dass er mich dazu bringt, dass ich mich selbst hasse…
Vor allem verachtete sie in sich dieses verkrüppelnde Verlangen nach körperlicher Zuneigung, das sich wie ein Unkraut in ihrem Herzen erneuerte, ungeachtet, wie oft sie 113
versuchte, es auszurotten. Dieses Bedürfnis, diese
Abhängigkeit, diese Sehnsucht nach Berührung musste zuerst gebrochen werden. Wenn sie ihr Bedürfnis nach Liebe abtöten könnte, dann würde sie mit allen anderen Schlingen, die sie fesselten, etwa mit dem Verlangen nach Ehre, der Anhänglichkeit an die Pflicht, vor allem aber mit jeder Art von Furcht fertig werden. Vermutlich war es streng mystisch. Wenn ich all diese Dinge in mir töten kann, dann kann ich frei von ihm sein.
Sie hörte auf zu weinen, wusch ihr Gesicht und nahm drei schmerzstillende Tabletten. Jetzt kann ich schlafen, dachte sie. Doch als sie wieder ins Schlafzimmer schlüpfte, fand sie Tien wach liegend da. Seine Augen schimmerten
schwach in der Dunkelheit. Als er ihre bloßen Füße auf dem Teppich flüstern hörte, drehte er die Lampe auf. Sie versuchte sich daran zu erinnern, ob Schlaflosigkeit unter den frühen Symptomen seiner Krankheit aufgeführt wurde.
Er hob die Bettdecken, damit sie darunterschlüpfen konnte.
»Was hast du da drinnen die ganze Zeit getan? Warst du auf eine Pause ohne mich aus?«
Sie war sich nicht sicher, ob er auf ein Lachen wartete, falls das ein Scherz sein sollte, oder auf ihr empörtes Nein.
Sie wich dem Problem aus und sagte stattdessen: »Ach, Tien, ich hätte es fast vergessen. Deine Bank hat am Nachmittag angerufen. Sehr komisch. Etwas von wegen, man brauchte meine Gegenzeichnung und meinen Handabdruck, um dein Pensionskonto freizugeben. Ich sagte ihnen, das könne meiner Meinung nach nicht stimmen, aber dass ich dich danach fragen und mich dann wieder 114
melden würde.«
Noch während er nach ihr griff, erstarrte er. »Sie hatten keinen Grund, deswegen dich anzurufen!«
»Wenn es etwas wäre, wovon du wolltest, dass ich es tue, dann hättest du es ja schon früher erwähnen können.
Sie sagten, man würde die Freigabe aufschieben, bis ich mich wieder melde.«
»Aufschieben, nein! Du blöde Kuh!« Er krampfte die
rechte Hand in einer Geste der Frustration zusammen.
Der gehässige Schimpfname löste in ihrem Magen ein
Gefühl der Übelkeit aus. Dieses ganze Bemühen, ihn heute Nacht friedlich zu stimmen – und jetzt stand er wieder am Rande eines Wutausbruchs… »Habe ich einen Fehler
begangen?«, fragte sie besorgt. »Tien, was ist los? Was geht da vor?« Sie hoffte, er würde nicht gleich wieder mit dem Kopf durch die Wand gehen. Der Lärm – ihr Onkel würde es vielleicht hören, oder dieser Vorkosigan, und wie könnte sie es dann erklären…
»Nein … nein. Tut mir Leid.« Er rieb sich stattdessen die Stirn, und sie stieß einen verstohlenen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich habe vergessen, dass hier die komarranischen Regeln gelten. Auf Barrayar hatte ich nie Schwierigkeiten, wenn ich beim Verlassen einer Stelle meine Pensionsrückstellungen abhob, zumindest bei
Stellen, die eine Pension angeboten hatten. Ich glaube, hier auf Komarr verlangen sie eine zusätzliche Unterschrift vom Begünstigten im Todesfall. Das ist schon in Ordnung.
Ruf sie dann morgen früh als Erstes an und klär die Sache mit ihnen.«
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»Du gibst doch nicht deine Stellung auf, oder?« Panik schnürte ihr die Brust zusammen. Du lieber Himmel, nicht schon so bald wieder ein neuer Umzug…
»Nein, nein. Verdammt noch mal, nein. Entspann dich!«
Er versuchte ein Lächeln.
»Ach, das ist gut.« Sie zögerte. »Tien… hast du noch Pensionsrücklagen von deinen alten Jobs damals auf
Barrayar?«
»Nein, ich habe sie am Ende immer abgehoben. Warum
soll ich ihnen das Geld zum Gebrauch überlassen, wenn wir es selbst gebrauchen können? Es hat uns mehr als einmal geholfen, über die Runden zu kommen, weißt du.«
Er lächelte bitter. »Unter den gegebenen Umständen ist der Gedanke, für mein Alter zu sparen, nicht sehr zwingend, das musst du zugeben. Und du wolltest doch diesen Urlaub auf dem Südkontinent haben,
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