Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
während Ekaterin damit beschäftigt war, ihre Käfer-Designs für Enrique herunterzuladen, damit er sie mitnehmen konnte.
Sie nickte. »Ja. Und du?«
»Ich werde nicht aufgeben. Wie lange wird es dauern,
was meinst du? Bis dieser Schlamassel bereinigt ist?«
»Er ist schon bereinigt.« Ihr Gesichtsausdruck war
beunruhigend entrückt. »Ich habe die Streitereien satt, bin mir allerdings nicht sicher, ob ihnen das schon klar ist. Ich habe die Nase voll. Während ich noch bei meinen Eltern - 481 -
im Haus wohne, halte ich mich für moralisch verpflichtet, ihre Regeln zu befolgen, so lächerlich sie auch sein mögen.
Sobald ich herausbekommen habe, wie ich woanders hin
kann, ohne dass ich meine langfristigen Ziele gefährde, werde ich weggehen. Für immer, wenn es sein muss.« Ihre Miene war grimmig und entschlossen. »Ich erwarte nicht, dass ich noch lange dort bin.«
»So«, sagte Mark. Er war sich nicht ganz sicher, was sie meinte oder zu tun vorhatte, aber es klang… beunruhigend.
Ihn erschreckte der Gedanke, dass er vielleicht der Grund sein könnte, dass sie ihre Familie verlor. Er hatte sein ganzes Leben und äußerste Anstrengungen gebraucht, um sich einen Platz in einer Familie zu erringen. Der Clan des Kommodore war ihm als eine so goldene Zuflucht erschienen… »Da… ist man einsam. Als Außenseiter…«
Sie zuckte die Achseln. »So sei's denn.«
Die Geschäftsbesprechung löste sich auf. Eine letzte
Chance … Sie befanden sich im gefliesten Flur, Ekaterin geleitete sie gerade hinaus, da nahm Mark seinen Mut zusammen und platzte heraus: »Kann ich irgendwelche Botschaften für Sie mitnehmen? Nach Palais Vorkosigan, meine ich.« Angesichts der Art, wie Miles ihn vor seinem Weggang instruiert hatte, war er sich absolut sicher, dass sein Bruder ihm bei seiner Rückkehr auflauern würde.
Erneute Vorsicht ließ den Ausdruck aus Ekaterins
Gesicht weichen. Sie mied seinen Blick. Ihre Hand
berührte den Bolero über ihrem Herzen; Mark vernahm ein schwaches Knistern von teurem Papier unter dem weichen Stoff. Würde es eine heilsame, demütigende Wirkung auf Miles haben, wenn er erfuhr, wo sein literarischer Versuch - 482 -
aufbewahrt wurde, oder würde es ihn in eine unangenehme Hochstimmung versetzen?
»Sagen Sie ihm«, sagte sie schließlich, und es war nicht nötig zu erklären, wer mit ihm gemeint war, »dass ich seine Entschuldigung annehme. Aber ich kann seine Frage nicht beantworten.«
Mark meinte, er hätte eine brüderliche Pflicht, ein gutes Wort für Miles einzulegen, aber die schmerzliche Zurückhaltung der Frau nahm ihm den Mut. »Es macht ihm viel aus, wissen Sie«, murmelte er schließlich unsicher.
Dies entlockte ihr ein knappes Nicken und ein kurzes, freudloses Lächeln. »Ja, ich weiß. Danke, Mark.« Damit schien das Thema abgeschlossen zu sein.
Auf dem Trottoir wandte sich Kareen nach rechts,
während die übrigen nach links abbogen und zurück zu
dem Platz gingen, wo der ausgeliehene Gefolgsmann mit dem ausgeliehenen Bodenwagen wartete. Mark ging einen Moment lang rückwärts und beobachtete Kareens Rückzug. Sie schritt voran, den Kopf gesenkt, und schaute nicht zurück.
Miles, der die Tür seiner Suite genau zu diesem Zweck offen gelassen hatte, hörte am späten Nachmittag Mark zurückkehren. Er sauste hinaus in den Flur, beugte sich über die Balkonbrüstung und starrte wie ein Raubvogel hinab in die schwarzweiß geflieste Vorhalle. Auf den ersten Blick sah er nur, dass Mark überhitzt aussah, ein unausweichliches Ergebnis, wenn man bei diesem Wetter so viel Schwarz und Fett trug.
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»Hast du mit ihr gesprochen?«, rief Miles eilig.
Mark blickte zu ihm empor und zog die Augenbrauen in
unwillkommener Ironie hoch. Offensichtlich ging er in Gedanken ein paar verlockende Antworten durch, bevor er sich für ein einfaches und kluges »Ja« entschied.
Miles' Hände umklammerten das hölzerne Geländer
»Was hat sie gesagt? Hast du erkennen können, ob sie
meinen Brief gelesen hatte?«
»Wie ich dir in Erinnerung rufen darf, hast du mich
ausdrücklich mit dem Tod bedroht für den Fall, dass ich es wagen sollte sie zu fragen, ob sie deinen Brief gelesen hat, oder anderweitig dieses Thema anzuschneiden.«
Ungeduldig wischte Miles dies beiseite. »Direkt. Du weißt, dass ich gemeint habe, nicht direkt zu fragen. Ich habe nur überlegt, ob du … etwas erkennen konntest.«
»Wenn ich erkennen könnte, was eine Frau denkt, indem ich sie bloß anschaue, würde
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