Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
wenn das Gespräch stockte, dann würde es Ablenkungen für das Auge geben. Nicht, dass er erwartete, es könnten ihm die Worte ausgehen.
Wenn er offen sprechen konnte und nicht länger zu
Verheimlichung und Lüge gezwungen war, eröffneten sich ihm erstaunliche Möglichkeiten. Es gab so viel mehr zu sagen… Pym räusperte sich an der Tür. Miles wandte den Kopf.
»Lord Richars Vorrutyer ist hier, um Sie zu besuchen, Lord Vorkosigan«. verkündete Pym.
»Das heißt Lord Vorrutyer. wenn ich bitten darf. Pym«, korrigierte ihn Richars.
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»Ihr Cousin, Mylord.« Mit einem höflichen Nicken
führte Pym Richars in Miles' Wohnzimmer. Richars, der sich der Nuance vollkommen bewusst war, warf dem Gefolgsmann einen misstrauischen Blick zu. während er eintrat.
Miles hatte Richars seit ungefähr einem Jahr nicht mehr gesehen, doch sein Cousin hatte sich nicht viel verändert; er sah vielleicht etwas älter aus, was wohl teils auf die Zunahme seines Hüftumfangs. teils auf den Rückzug seines Haaransatzes zurückzuführen war. Er trug einen mit Paspeln und Epauletten versehenen Anzug in Blau und Grau, den Farben des Hauses Vorrutyer. Als
Tageskleidung passender als die eindrucksvolle
Förmlichkeit der vollen Uniform, erinnerte dieses Outfit an das Gewand des Erben eines Grafen, ohne offen ein Recht darauf zu beanspruchen. Richars sah immer noch permanent eingeschnappt aus: Da hatte sich nichts geändert.
Richars schaute sich stirnrunzelnd in General Piotrs
alten Gemächern um.
»Brauchst du plötzlich einen Kaiserlichen Auditor,
Richars?«, stichelte Miles sanft; er war nicht sonderlich erbaut über die Störung. Er wollte seinen nächsten Brief an Ekaterin verfassen und sich nicht mit einem Vorrutyer abgeben. Mit keinem Vorrutyer.
»Was? Nein, gewiss nicht!« Richars blickte ungehalten drein, dann blinzelte er Miles an, als erinnerte er sich erst jetzt an dessen neuen Status. »Ich bin überhaupt nicht zu dir gekommen. Ich kam. um deinen Vater zu sprechen, wegen der bevorstehenden Abstimmung im Rat über - 488 -
diesen verrückten Prozess von Lady Donna.« Richars
schüttelte den Kopf. »Er weigerte sich, mich zu
empfangen. Schickte mich weiter zu dir.«
Miles blickte Pym fragend an. »Der Graf und die
Gräfin«, verkündete Pym, »ruhen sich heute Nachmittag aus, da sie heute Abend anstrengende gesellschaftliche Verpflichtungen haben, Mylord.«
Miles hatte seine Eltern beim Mittagessen gesehen; sie hatten nicht ein bisschen müde gewirkt. Doch sein Vater hatte gestern Abend gesagt, er habe vor, Gregors Hochzeit als Urlaub von seinen Pflichten als Vizekönig zu betrachten, nicht als Erneuerung seiner Pflichten als Graf.
Mach weiter, mein Junge, du machst es gut. Seine Mutter hatte diesen Plan mit Nachdruck unterstützt. »Ich bin immer noch der Stellvertreter meines Vaters bei der Abstimmung, jawohl, Richars.«
»Ich hatte gedacht, er würde wieder die Sache in die
Hand nehmen, da er zurück ist. Na ja.« Richars musterte Miles unsicher, zuckte die Achseln und trat zum Erkerfenster.
Gehört alles mir. was? »Hm, setz dich.« Miles wies auf den Stuhl ihm gegenüber, auf der anderen Seite des niedrigen Tisches. »Danke, Pym, das war's.«
Pym nickte und zog sich zurück. Miles bot keine
Erfrischungen an oder sonst etwas, was Richars daran
gehindert hätte, schnell seine Sache vorzubringen, worum auch immer es dabei gehen mochte. Richars hatte gewiss nicht vorbeigeschaut, um Miles' Gesellschaft zu genießen, nicht, dass diese Gesellschaft im Augenblick viel wert - 489 -
gewesen wäre. Ekaterin, Ekaterin, Ekaterin…
Richars ließ sich nieder und sagte, offensichtlich als Äußerung von Mitgefühl: »Ich bin im Flur an deinem dicken Klon vorbeigekommen. Er muss für dich eine große Belastung darstellen. Kannst du nichts gegen ihn unternehmen?«
Es war schwer zu erkennen, was Richars als anstößiger empfand: Marks Fettleibigkeit oder dessen bloße Existenz; andrerseits kämpfte Richars derzeit auch mit einem Verwandten, der eine peinliche Entscheidung hinsichtlich seines Körpers getroffen hatte. Doch Miles wurde auch daran erinnert, warum er – wenn er schon nicht gerade große Mühen auf sich nahm, um seinem nicht weit genug entfernten Vorrutyer-Cousin aus dem Weg zu gehen – nicht dessen Gesellschaft suchte. »Ja, nun, er ist unsere Belastung. Was willst du, Richars?«
Richars lehnte sich zurück und schlug sich die
Ablenkung durch die Gedanken an Mark aus dem Kopf.
»Ich bin gekommen,
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