Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
möchte.«
Der Graf untersuchte seine Fingernägel. »Es könnte
schlimmer sein. Es gibt kein hohleres Gefühl, als wenn man dasteht, die eigene Ehre zerschmettert zu Füßen, während der zunehmende öffentliche Ruf einen mit Belohnungen überhäuft. Das
zerstört die Seele.
Andersherum ist es lediglich sehr, sehr irritierend.«
»Sehr«, bemerkte Miles bitter.
»He. Schon gut. Kann ich dir tröstliche Überlegungen
anbieten?«
»Bitte, Sir.«
»Erstens, auch das wird vorübergehen. Trotz des
unbestrittenen Reizes von Sex, Mord, Verschwörung und noch mehr Sex werden die Leute am Ende die Geschichte langweilig finden, und ein anderer armer Kerl wird einen anderen grässlichen öffentlichen Fehler begehen, und die Aufmerksamkeit der Leute wird hinter der neuen Beute herjagen.«
»Was für Sex?«, murmelte Miles empört. »Es hat überhaupt keinen Sex gegeben. Verdammt. Sonst erschiene mir alles viel mehr der Mühe wert. Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen, die Frau zu küssen! «
Die Lippen des Grafen zuckten. »Mein Beileid.
Zweitens, in Anbetracht dieser Beschuldigung wird in
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Zukunft keine Anklage gegen dich, die weniger aufregend ist, irgendjemandes Gefühle erregen. Zumindest nicht in der nahen Zukunft.«
»Oh, großartig. Bedeutet das, ich bin von jetzt an frei mich auszutoben, solange ich kurz vor vorsätzlichem Mord Halt mache?«
»Du würdest erstaunt sein.« Ein wenig von dem Humor
verlosch in den Augen des Grafen, Miles wusste nicht, wegen welcher Erinnerung, doch dann erschien auf seinen Lippen wieder ein Lächeln. »Drittens, es gibt keine Gedankenkontrolle – oder ich hätte sie bestimmt schon früher eingesetzt. Wenn du versuchst, dich an das anzupassen oder auf das zu reagieren, was – auf der Grundlage von wenig Logik und noch weniger Information
– jeder Idiot auf der Straße glaubt, so würde das nur dazu dienen, dich in den Wahnsinn zu treiben.«
»Die Meinung mancher Leute ist mir wichtig.«
»Ja, manchmal. Hast du in diesem Fall schon
entschieden, wessen Meinung?«
»Die von Ekaterin, Nikki, Gregor.« Miles zögerte. »Das sind alle.«
»Was, deine armen alternden Eltern stehen nicht auf
dieser kurzen Liste?«
»Es würde mir sehr Leid tun, eure gute Meinung zu
verlieren«, sagte Miles langsam. »Aber in diesem Fall seid ihr nicht diejenigen… Ich bin mir nicht sicher, wie ich es formulieren soll. Um Mutters Ausdrucksweise zu benutzen – ihr seid nicht diejenigen, gegen die ich gesündigt habe.
Also ist euer Verzeihen belanglos.«
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»Hm«, sagte der Graf, rieb sich die Lippen und
betrachtete Miles mit kühler Zustimmung. »Interessant.
Nun ja. Als deinen vierten tröstlichen Gedanken würde ich anführen, dass es hier«, eine Fingerbewegung umschloss Vorbarr Sultana und ganz Barrayar, »gar nicht so schlecht ist, wenn man sich den Ruf eines raffinierten und gefährlichen Mannes erwirbt, der ohne Bedenken töten würde, um das Seine zu erlangen und zu beschützen.
Genau genommen könntest du es sogar nützlich finden,
einen solchen Ruf zu haben.«
»Nützlich! Hast du denn die Bezeichnung Schlächter von Komarr als praktisches Requisit empfunden, Sir?«, versetzte Miles ungehalten.
Sein Vater kniff die Augen zusammen, teils grimmig
amüsiert, teils anerkennend. »Ich habe gefunden, dass sie eine zweifelhafte… Verurteilung bedeutet. Doch ja, ich habe das Gewicht dieses Rufes von Zeit zu Zeit verwendet, um mich auf gewisse dafür empfängliche Männer zu stützen. Warum nicht, ich habe ja dafür bezahlt. Simon sagt, dass er das gleiche Phänomen erlebt hat. Nachdem er von Negri dem Großen den KBS geerbt hatte, so behauptete er, musste er nur dastehen und den Mund halten, um seine Gegner zu entnerven.«
»Ich habe mit Simon zusammengearbeitet. Er war
verdammt noch mal entnervend. Und es lag nicht nur an seinem GedächtnisChip oder an Negris Geist, der noch verweilte.« Miles schüttelte den Kopf. Nur sein Vater konnte vollkommen ehrlich Simon Illyan als einen gewöhnlichen alltäglichen Untergebenen betrachten.
»Jedenfalls mögen manche Leute Simon als unheimlich
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betrachtet haben, aber niemals als korrupt. Er hätte nicht halb so einschüchternd gewirkt, wäre er nicht fähig gewesen, überzeugend diese unnachgiebige Gleichgültigkeit gegenüber, nun ja, jeder menschlichen Neigung auszustrahlen.« Er hielt inne und überdachte den bezwingenden Managementstil seines früheren Befehlshabers und Mentors. »Aber verdammt,
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