Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
größte
lebende Quelle barrayaranischer politischer Erfahrung in diesem Jahrhundert. Dein Vater hat sich mit hässlicheren Parteikämpfen als den derzeitigen befasst, mit und ohne Waffen, seit der Zeit vor deiner Geburt. Geh zu ihm und erzähle ihm von deinen Schwierigkeiten. Sage ihm, er soll dir diesen Vortrag über Ehre versus Ruhm halten, den er mir seinerzeit gehalten hat. Genau genommen … sag ihm, dass ich es erbitte und verlange.« Er erhob sich von seinem Sessel und setzte mit einer Handbewegung dem Thema ein nachdrückliches Ende. Alle standen auf.
»Lord Auditor Vorthys, ein Wort, bevor Sie gehen.
Madame Vorsoisson …«, er nahm erneut Ekaterins Hand,
»… wir müssen uns noch ausführlicher unterhalten, wenn ich unter weniger Zeitdruck stehe. Sicherheitsüberlegungen haben eine öffentliche Anerkennung aufgeschoben, aber ich hoffe, es ist Ihnen klar, dass Sie sich ein sehr großes Ehrenguthaben beim Imperium erworben haben, das Sie nach Bedarf und Belieben in Anspruch nehmen dürfen.«
Ekaterin blinzelte. Sie war so überrascht, dass sie fast
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protestierte. Gewiss hatte der Kaiser Miles zuliebe dieses Treffen in seinen Zeitplan gezwängt? Doch dies war der einzige verhüllte Hinweis auf die weiteren Ereignisse auf Komarr. die sie vor Nikki zu machen wagten. Sie brachte ein kurzes Nicken zustande und einige gemurmelte Wortes des Dankes für die Zeit und das Interesse, das der Kaiser ihnen gewidmet hatte. Nikki. ein wenig linkisch ihrem Vorbild folgend, tat es ihr gleich.
Onkel Vorthys sagte ihr und Nikki ade und blieb für das von seinem kaiserlichen Herrn gewünschte Gespräch zurück, bevor er sich zu seinem Shuttle begab. Miles geleitete sie in den Korridor, wo er zu dem wartenden Livrierten sagte: »Ich begleite sie hinaus, Gerard. Rufen Sie bitte Madame Vorsoissons Wagen.«
Sie begann den langen Weg durch das Gebäude.
Ekaterin blickte über die Schulter hinweg zum privaten Büro des Kaisers.
»Das war… das war mehr, als ich erwartet hatte.« Sie
schaute auf Nikki hinunter, der zwischen ihnen ging. Sein Gesicht war unbewegt, aber nicht gerunzelt. »Stärker.«
Strenger.
»Ja«, sagte Miles. »Seien Sie vorsichtig damit, worum Sie bitten… Es gibt besondere Gründe, warum ich Gregors Urteil in dieser Sache mehr vertraue als allen anderen.
Aber… vielleicht bin ich nicht der einzige Fisch, der nicht über Wasser nachdenkt. Man erwartet routinemäßig von Gregor, dass er jeden Tag einen Druck aushält, der etwa mich zum Trunk, zum Wahnsinn oder zu ausgesprochen tödlicher Gereiztheit führen würde. Umgekehrt überschätzt er uns, und wir… bemühen uns. ihn nicht zu enttäuschen.«
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»Er hat mir die Wahrheit gesagt«, sagte Nikki. Einen Moment lang ging er schweigend weiter. »Ich bin froh.«
Ekaterin hielt den Mund. Sie war zufrieden.
Miles fand seinen Vater in der Bibliothek.
Graf Vorkosigan saß auf einem der Sofas, die den
Kamin flankierten, und las auf einem Handleser. Aus
seiner halb formellen Kleidung, einer dunkelgrünen Jacke und einer Hose, die an die Uniformen erinnerten, die er den größten Teil seines Lebens getragen hatte, schloss Miles, dass Aral bald ausgehen würde, zweifellos zu einem der vielen offiziellen Essen, an denen der Vizekönig und die Vizekönigin anscheinend vor Gregors Hochzeit teilnehmen mussten. Miles erinnerte sich an die einschüchternde Liste, die Lady Alys ihm überrreicht hatte, mit Terminen, die bald bevorstanden. Doch ob er den Versuch wagen würde, ihre gesellschaftlichen und kulinarischen Strapazen zu mildern, indem er sich von Ekaterin begleiten ließ, war eine jetzt sehr zweifelhafte Frage.
Miles warf sich auf das Sofa gegenüber seinem Vater;
der Graf blickte auf und betrachtete ihn mit vorsichtigem Interesse.
»Hallo. Du siehst ein wenig ausgequetscht aus.«
»Ja. Ich bin gerade von einem der schwierigsten
Gespräche meiner Auditorenkarriere zurückgekommen.«
Miles rieb sich den Nacken, der immer noch vor Anspannung schmerzte. Der Graf zog höflich fragend die Augenbrauen hoch. »Ich habe Gregor gebeten«, fuhr Miles fort, »Nikki Vorsoisson über diese Verleumdungs - 610 -
geschichte aufzuklären, und zwar bis zu der Grenze, die er für klug hält. Er setzte die Grenze viel weiter, als Ekaterin oder ich es getan hätten.«
Der Graf lehnte sich zurück und legte das Lesegerät
beiseite. »Meinst du, dass er die Sicherheit gefährdet hat?«
»Nein, eigentlich nicht«, räumte Miles ein. »Jeder Feind,
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