Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
aus Angst oder Zorn oder einer giftigen Mischung von beidem – Miles wusste es nicht zu sagen.
Er stand auf und ging zu ihr hinüber, setzte sich sehr vorsichtig neben sie auf die Walnusstruhe und schaute sie forschend an. »So oder so können wir erreichen, dass es am Ende sich wieder beruhigt. In zwei Tagen stehen diese Abstimmungen über die Erben der beiden Distrikte auf der Tagesordnung des Rates der Grafen. Sobald die Abstimmung vorüber ist, wird sich die politische Motivation, mit dieser Anschuldigung gegen mich Unruhe zu stiften, verflüchtigen, und die ganze Geschichte wird allmählich in Vergessenheit geraten.« Das hätte sehr beruhigend geklungen, wenn er nicht hinzugefügt hatte: »Hoffe ich.«
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»Ich hätte nicht vorschlagen sollen, Sie in Quarantäne zu stecken, bis mein Trauerjahr vorüber ist. Ich hätte es bei Vassily zuerst mit dem Winterfest versuchen sollen. Daran habe ich zu spät gedacht. Aber ich kann Nikki nicht riskieren, ich kann es einfach nicht. Nicht, wo wir so weit gekommen sind, so viel überlebt haben.«
»Jetzt mal mit der Ruhe, bitte! Ich glaube, Ihre Instinkte haben Recht. Mein Großvater hatte einen alten Kavalleristenspruch: ›Man sollte über schweres Gelände so leicht hinwegkommen, wie man kann.« Wir werden uns einfach eine kleine Weile ruhig verhalten, um den armen Vassily nicht zu reizen. Und wenn Ihr Onkel zurückkommt, dann wird er dem Kerl den Kopf zurechtsetzen.«
Er schaute sie von der Seite her an. »Oder Sie könnten natürlich mich einfach ein Jahr lang nicht besuchen, ja?«
»Das würde mir außerordentlich missfallen«, gab sie zu.
»Aha.« Er zog einen Mundwinkel hoch. Nach einer
kleinen Pause sagte er: »Nun gut, dann ist das wohl nicht möglich.«
»Aber Miles, ich habe mein Wort gegeben. Ich wollte es nicht, aber ich habe es getan.«
»Sie sind dazu getrieben worden. Ein taktischer
Rückzug ist keine schlechte Reaktion auf einen
Überraschungsangriff, wissen Sie. Erst überleben Sie.
Dann wählen Sie Ihr eigenes Gelände aus. Dann gehen Sie zum Gegenangriff über.«
Irgendwie befand sieh ohne ihr Zutun sein Schenkel
ganz nahe bei dem ihren, berührte ihn nicht ganz, war aber trotzdem warm und fest selbst durch zwei Schichten von - 675 -
Stoff, grau und schwarz, hindurch zu spüren. Sie konnte nicht direkt den Kopf zum Trost auf seine Schulter legen, aber vielleicht ihren Arm um seine Taille schlingen und ihre Wange an seinen Scheitel lehnen. Es wäre eine angenehme Empfindung, beruhigend für das Herz. Ich sollte das nicht tun.
Ja, ich sollte es tun, Jetzt und immer… Nein.
Miles seufzte. »In Mitleidenschaft gezogen durch
meinen Ruf. Und ich dachte, die einzigen Meinungen, die eine Rolle spielen, seien die Ihre, die von Nikki und die von Gregor. Ich hatte diesen Vassily vergessen.«
»Ich auch.«
»Mein Vater hat mir folgende Definition gegeben: Er
sagte mir, der Ruf sei das, was andere Leute über einen wissen, aber Ehre, was man über sich selbst weiß.«
»War es das, was Gregor meinte, als er Ihnen sagte, Sie sollten mit ihm reden? Ihr Vater scheint weise zu sein. Ich würde ihn gern kennen lernen.«
»Er möchte auch Ihre Bekanntschaft machen. Natürlich
hat er sofort nachgehakt und mich gefragt, wie ich zu mir selber stehe. Er hat diesen… diesen Blick.«
»Ich glaube… ich weiß, was er meint.« Sie könnte ihre Finger um seine Hand schließen, die locker auf seinem Schenkel so nahe dem ihren lag. Gewiss würde sie warm und beruhigend in ihrer Handfläche ruhen … Du hast dich schon früher selbst betrogen, ausgehungert nach Berührung. Tu's nicht. »An dem Tag, als Tien starb, wurde ich von der Person, die einen lebenslangen Schwur ablegte und hielt, zu einer, die ihn entzweibrach und fortging. Mein - 676 -
Schwur hatte mir alles bedeutet, oder zumindest … ich hätte alles dafür gegeben. Ich weiß immer noch nicht, ob ich für nichts meineidig geworden bin oder nicht.
Vermutlich wäre Tien an jenem Abend nicht in dieser
dummen Art und Weise hinausgestürmt, wenn ich ihn nicht damit schockiert hätte, dass ich ihm sagte, ich würde ihn verlassen.« Sie verstummte für eine Weile. Es war sehr still im Raum. Die dicken alten Steinmauern hielten den Lärm der Stadt fern. »Ich bin nicht die, die ich einmal war. Ich kann nicht zurückgehen. Mir gefällt nicht ganz, wer ich geworden bin. Doch ich… stehe noch. Aber ich weiß kaum, wie ich von hier aus weitergehen soll. Niemand hat mir jemals eine Landkarte für
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