Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
rissig, an ein paar Stellen lugte die Füllung hervor. Ahorn-und Olivenblätter, in das Leder eingeritzt und zart gefärbt, umgaben ein V, das von einem kleineren B und K flankiert und insgesamt von einem Oval umschlossen wurde. Noch mehr Stickereien, deren Farben - 668 -
überraschend kräftig waren, wiederholten das Pflanzenmuster auf einem Reitkissen.
»Es dürfte einen dazu passenden Zügel geben, aber ich habe ihn noch nicht gefunden«, sagte Miles und fuhr stolz mit den Fingern über die Initialen. »Dies ist einer der Sättel meiner Großmutter auf Vaters Seite. General Piotrs Frau, Prinzessin und Gräfin Olivia Vorbarra Vorkosigan. Sie hat ihn offensichtlich recht oft benutzt. Meine Mutter ließ sich nie dazu überreden, das Reiten zu erlernen – ich konnte nie herausfinden, warum nicht –, und es war auch nicht eine der Leidenschaften meines Vaters. Also war es Großvater überlassen mich zu unterrichten, um die Tradition lebendig zu halten. Aber als Erwachsener hatte ich nicht mehr die Zeit, um sie fortzuführen. Hatten Sie nicht gesagt, dass Sie reiten?«
»Nicht mehr, seit ich ein Kind war. Meine Großtante
hielt ein Pony für mich – doch ich vermute, es ging ihr dabei ebenso sehr um den Dünger für den Garten. Meine Eltern hatten in der Stadt keinen Platz. Es war ein dickes, schlecht gelauntes Tier, aber ich habe es innig geliebt.«
Ekaterin lächelte, als sie sich daran erinnerte. »Sättel waren da nicht unbedingt nötig.«
»Ich dachte mir, wir könnten den hier vielleicht
reparieren und instand setzen lassen und wieder in
Gebrauch nehmen.«
»Gebrauch? Der gehört doch eher in ein Museum!
Handgemacht, absolut einzigartig, historisch bedeutsam!
Ich kann mir gar nicht vorstellen, was er bei einer Auktion einbringen würde!«
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»Ah – die gleiche Debatte hatte ich mit Duv. Der Sattel war nicht nur handgemacht, er war auf Bestellung gefertigt, speziell für die Prinzessin. Vielleicht ein Geschenk meines Großvaters. Stellen Sie sich den Mann vor, nicht einfach nur ein Arbeiter, sondern ein Künstler, wie er das Leder auswählt, wie er es zurechtschneidet und näht und verziert.
Ich sehe ihn vor mir, wie er das Öl mit der Hand einreibt und daran denkt, dass sein Werk von seiner Gräfin benutzt werden wird, beneidet und bewundert von ihren Freundinnen, Teil dieses – dieses ganzen Kunstwerks, das ihr Leben war.« Seine Finger fuhren die Blätter nach, welche die Initialen umgaben.
Während seiner Worte war in ihren Gedanken der Wert
des Sattels Stufe um Stufe gestiegen. »Lassen Sie den Sattel um Himmels willen erst schätzen!«
»Warum? Um ihn an ein Museum zu verleihen? Dafür
muss ich keinen Preis auf meine Großmutter setzen lassen.
Um ihn an einen Sammler zu verkaufen, der ihn dann
hortet wie Geld? Er soll Geld horten, das ist sowieso alles, was diese Art Menschen will. Der einzige Sammler, der seiner würdig wäre, wäre jemand, der persönlich von der Prinzessin und Gräfin besessen ist, einer von den Männern, die sich über die Zeit hinweg hoffnungslos verlieben. Nein, ich schulde es seinem Schöpfer, ihn wieder seinem richtigen Gebrauch zuzuführen, dem Gebrauch, den er dafür beabsichtigt hatte.«
Die erschöpfte, finanziell beschränkte Hausfrau in ihr –Tiens knauserige Ehefrau – war entsetzt. Doch ihr Innerstes wurde von Miles' Worten wie eine Glocke zum Klingen gebracht. Ja, so sollte es sein. Dieser Sattel gehörte - 670 -
unter eine schöne Dame, nicht unter einen Glassturz.
Gärten waren dazu bestimmt, dass man sie sah, roch,
durchwanderte und darin grub. Hundert objektive
Messungen ergaben als Summe nicht den Wert eines
Gartens; nur die Freude seiner Benutzer tat dies. Nur der Gebrauch machte, dass er etwas bedeutete. Wie hatte Miles das gelernt? Dafür allein könnte ich Sie lieben…
»Nun.« Er grinste als Antwort auf ihr Lächeln und holte Luft. »Gott weiß, ich muss mit irgendetwas anfangen, um mir Bewegung zu verschaffen, oder diese ganze kulinarische Diplomatie, die ich zurzeit absolviere, wird Marks Versuch zunichte machen, sich von mir zu unterscheiden. Es gibt hier in der Stadt einige Parks mit Reitwegen. Aber es macht nicht viel Spaß, allein zu reiten.
Glauben Sie, Sie wären bereit, mir Gesellschaft zu
leisten?« Er zwinkerte ein wenig kindlich-unbefangen.
»Ich würde es gerne tun«, sagte sie aufrichtig, »aber ich kann nicht.« Sie sah in seinen Augen ein Dutzend Gegenargumente auftauchen, bereit, in die Bresche zu
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