Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
zurechtkommen wirst. Sei einfach so bezaubernd wie gewöhnlich.«
Ekaterins Vorstellung von ihm. sagte sich Miles, war nicht ganz objektiv. Gott sei Dank. »Ich habe den ganzen 117
Tag versucht, Quaddies zu verzaubern, doch ohne feststellbaren Erfolg.«
»Wenn du es deutlich machst, dass du Leute liebst, dann ist es für sie schwer, der Versuchung zu widerstehen, dich wiederzulieben. Und Nicol wird heute Abend im Orchester spielen.«
»Oh.« Er wurde munter. »Das dürfte hörenswert sein.«
Ekaterin war eine aufmerksame Beobachterin; Miles hegte keinen Zweifel, dass sie den ganzen Nachmittag hindurch kulturelle Schwingungen aufgenommen hatte, die weit über lokale Moden hinausgingen. Also würden sie zum Quaddie-Ballett gehen. »Wirst du dein schickes neues Outfit tragen, das ich da vorhin gesehen habe?«
»Deshalb habe ich es ja gekauft. Wir ehren die Künstler, indem wir uns für sie gut anziehen. Jetzt schlüpfe wieder in deine Vorkosigan-Uniform. Bel wird bald kommen, um
uns abzuholen.«
»Ich bleibe besser in meinem langweiligen grauen Anzug. Ich habe so ein Gefühl, dass es diplomatisch gesehen eine schlechte Idee wäre, ausgerechnet jetzt vor den Quaddies in einer barrayaranischen Uniform herumzustolzieren.«
»Vielleicht im Sicherheitsposten Nr. 3. Aber es bringt nichts, beim Genuss ihrer Kunst gesehen zu werden, wenn wir dabei wie beliebige andere anonyme Planetarier aussehen. Heute Abend sollten wir, so meine ich, beide so barrayaranisch wie nur möglich aussehen.«
Mit Ekaterin gesehen zu werden, so stellte sich Miles vor, brachte auch einige Punkte ein, allerdings nicht so sehr für Propaganda, sondern für reine Angeberei und die Kunst, den anderen um eine Nasenlänge voraus zu sein.
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Bel traf pünktlich an der Luke der Turmfalke ein. Er hatte sich umgezogen und trug statt seiner biederen Arbeitsuniform ein verblüffendes, doch fröhliches orangefarbenes Wams mit glitzernden, sternenverzierten blauen Ärmeln, dazu geschlitzte Hosen, die am Knie zu Stulpen gerafft waren, und farblich abgestimmte mitternachtsblaue Strümpfe und Friktionsstiefel. Variationen dieses Stils schienen die hiesige Haute Couture für Männer wie Frauen, Planetarier wie Quaddies zu sein, wie man nach Greenlaws etwas gedeckterem Outfit schließen konnte.
Der Hermaphrodit führte sie zu einem ruhigen Restaurant auf der Schwerkraftseite der Station, das über die übliche durchsichtige Fensterwand mit einem Ausblick auf die Station und die Sternenlandschaft verfügte. Gelegentlich sauste ein Schlepper oder eine Personenkapsel still vorüber und machte die Szenerie noch interessanter. Trotz der Schwerkraft, die zumindest die Speisen auf den offenen Tellern hielt, beugte sich das Lokal den Architekturidealen der Quaddies, indem die Tische in verschiedenen Höhen auf eigenen Pfeilern standen und so alle drei Dimensionen des Raums ausnutzen. Bedienungen flitzten in Schwebern hin und her und hinauf und hinunter. Das Design gefiel allen, mit Ausnahme von Roic, der bestürzt den Hals verdrehte, um nach Problemen in 3-D Ausschau zu halten.
Doch Bel, der immer umsichtig und überdies in den Sicherheitsvorschriften ausgebildet war, hatte für Roic einen eigenen Sitzplatz oberhalb des ihrigen mit einem Überblick über den ganzen Raum reservieren lassen; als Roic zu sei119
nem Ausguck hinaufstieg, wirkte er mehr oder weniger versöhnt.
Nicol wartete auf sie an ihrem Tisch, der ihnen einen ausgezeichneten Blick durch die Fensterwand nach drau
ßen gewährte. Ihre Kleidung bestand aus einem ihre Formen betonenden schwarzen Strickanzug und hauchdünnen regenbogenfarbenen Schultertüchern; ansonsten hatte sich ihr Aussehen gegenüber der Zeit, als Miles sie vor so vielen Jahren und Wurmlochsprüngen kennen gelernt hatte, nicht sehr verändert. Sie war immer noch schlank, von anmutiger Bewegung selbst in ihrem Schweber, mit einer reinen, elfenbeinernen Haut und kurz geschnittenem, ebenholzfarbenem Haar, und ihre Augen tanzten immer noch.
Sie und Ekaterin betrachteten einander mit großem Interesse und begannen unvermittelt ein Gespräch, bei dem Bel und Miles nur wenige Stichworte vorgaben.
Das Gespräch war schon weit geschweift, als exquisite Speisen in einer zügigen Folge erschienen, aufgetragen vom gut ausgebildeten und unaufdringlichen Personal des Lokals. Musik, Gärtnerei und das Bio-Recycling der Station führten zu einer Diskussion über die Bevölkerungsdynamik der Quaddies und die – technischen, ökonomischen
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