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Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman

Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman

Titel: Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Scharnigg
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einer Salzwüste, abgeworfen aus längst verpuffter Beschleunigung und dann für immer liegen geblieben. Sie kamen uns deshalb Stück für Stück als überaus geheimnisbeladen vor. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem wir ein Schraubkreuz fanden, wie man es benutzt, um Radmuttern festzuziehen. Das wussten wir aber nicht, wir hielten das rostige Kreuz für eine der Waffen, die wir aus Ladas Ritterbuch kannten, das ich auch gelesen hatte. »Die Straße gab es damals natürlich auch schon«, führte Lada den unwiderruflichen Beweis, ich hieb zur Probe mit dem Kreuz auf ein Hagebuttengebüsch und erzielte einen nennenswerten Schaden, der letzte Zweifel ausräumte.
    Wie gern hätte ich unsere Funde jeden Abend den Opis präsentiert, die meisten Dinge waren geradezu dafür gemacht, von meinem Vater mit Geschichte und meinem Großvater mit Funktion versehen zu werden. Aber das ging nicht, denn unsere Plündertouren waren natürlich geheim, niemals hätten sie uns gelassen, so nah an den Autos und so fern aller bekannten Gebiete. Ich wusste zwar, dass mein Vater, wenn er laufen ging, gelegentlich auch hier lief, aber wir vermieden alle Nachfragen, um die Ausflüge in unser herrliches Gelände nicht zu gefährden. Wir sagten den Opis morgens nichts, als dass wir im Wald der dünnen Eichen ein Lager bauten, das eine Überraschung werden sollte und überhaupt nur für Kinder war, und das genügte beiden als Erklärung. Mein Vater schwärmte seit jeher von Orten, die bestimmten Personenkreisen zugänglich und anderen verboten waren, oder von Krawattenfarben, die nicht jeder tragen durfte, der darauf Lust hatte. Ein Lager, das nur für Kinder war, musste in seiner Vorstellung einem der Eton-Häuser gleichkommen, in das alle anderen Häuser keinen rechten Zutritt hatten. Ludwig Honigbrod hingegen nahm unsere Erklärung jeden Morgen wieder mit freundlich gespieltem Erstaunen zur Kenntnis. Er bot zerstreut seine Hilfe an, versorgte uns mit einer Schüssel Porridge, kümmerte sich dann nicht weiter und jeden Morgen neu.
    Das mit dem Lager war meine erste große Lüge, auch wenn es eigentlich keine richtige Lüge war. Tatsächlich hatten wir ziemlich bald einen Platz gesucht, an dem wir unsere tägliche Beute verstecken konnten, und natürlich musste dieser Platz außerhalb von Pildau sein. So legten wir oben am Waldrand, nicht weit von der Stelle, an der Lada zum ersten Mal durchs Gebüsch gebrochen war und die glitzernden Bänder gesehen hatte, ein Lager an. Dazu klemmten wir einen großen Ast quer in die untersten Astgabeln zweier Eichen und belegten diesen Querbalken mit vielen kleinen Ästen, danach mit Reisig und Laub, bis ein erstaunlich dichtes Halbdach entstanden war, unter dem man ausgezeichnet sitzen und auf die Straße sehen konnte. Vorn deckten wir den Giebel nur halb ein, so hatten wir einen Eingang und genug Platz für unsere Sammlung. Das war also das Lager, und wir nannten es nie anders. Einige der Schätze übernahmen wir gleich in den Hausrat, der Eimer fing unser Wasser, auch wenn wir nie Wasser brauchten, war es gut, etwas davon zu haben, weil sich darin kleine, rekelnde Würmchen ansiedelten, die man beobachten konnte. Auf dem gefetzten Gummi der Autoreifen, das wir recht häufig fanden, saß es sich überaus bequem, Planen und Tüten nutzte ich als Isolierung und stopfte sie weit in den Dachwinkel, wo die Äste auf den Waldboden kamen, während Lada dazu neigte, Fahnen zu bauen. Sie hatte Dutzende Stöcke mit solchen bunten Fetzen und schwenkte sie bisweilen so ernsthaft, als würde sie einem anderen Flaggenträger Botschaften geben.
    Ich hätte durchaus nichts dagegen gehabt, mal ein paar Tage im Lager zu verbringen und das Gefundene ausgiebig zu würdigen, aber Lada, in ihrem brombeerfarbenen Kastenkleid mit breiten Trägern, saß nicht gern unter dem Dach, nach ein paar Minuten schon streunte sie wieder herum oder drängte auf eine weitere Expedition. Sie sagte, es wären die Ameisen im Lager. Es gab Ameisen, zweifelsohne, aber mir machten sie gar nichts, und Lada war eigentlich weit weniger zimperlich als ich. Als ich diese Sache eines Tages wieder aufbrachte, vergnügt mit ausgestreckten Beinen im Lager saß und rief: »Lada, wo sind denn die schrecklichen Ameisen?«, da ging sie vor mir in die Hocke und öffnete ihre Beine. Ein wenig nur. Sie trug keine Unterhose, was jetzt in der Rückschau weit seltsamer klingt, als es damals war. Tatsache war, dass wir in Pildau zwar eine alte Waschmaschine

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