Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman

Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman

Titel: Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Scharnigg
Vom Netzwerk:
Seiten und Papierfetzen hingen, vom Regen an die Äste geklebt.
    Nach einiger Zeit kam Lada etwas atemlos zurück. »Was haben wir?«
    »So was.« Ich hielt ihr eines der Hefte hin, das kaum nass geworden war. Es waren nur Bilder darin, von Damen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Lada blätterte und maß jede mit genauem Blick, und ich wusste nicht, was ich interessanter finden sollte, die Bilder oder ihre Aufmerksamkeit dafür. Die Damen hatten eine Haut wie gemalt, aber es waren schon echte Damen, sie saßen auf Autos oder lagen in der Wiese, und ich dachte, dass es irgendwo hier sein müsste, manches im Hintergrund kam mir bekannt vor, wenn ich nur lange genug daran dachte.
    Lada warf das Heft hin. »Bah, eklig.«
    Ich war überrascht, das passte nicht zu der gespannten Neugier, mit der sie die Seiten gerade noch betrachtet hatte.
    Von diesen Heften gab es mehrere, sie hatten die unterschiedlichsten Formate, manche waren nur so groß wie unsere Schulhefte, andere waren riesenhaft zerfleddert. Ich nahm eine Auswahl davon an mich. Rätselhafter waren die Päckchen. Da waren kleine, aus Zeitungspapier gefaltete Umschläge dabei, wie für Briefe, aber kaum größer als meine Handfläche. Einige waren leer, andere noch in ihrer Faltung, und als wir sie öffneten, rieselte uns nichts als ein bisschen Staub entgegen, mit kleinen Klumpen wie unser uralter Zucker. Es gab Tütchen, fest verknotet, darin waren Pillen, wie sie der Großvater schlucken musste, manche waren ganz voll davon. Lada hatte auch noch ein paar Fläschchen mit rotem Schraubverschluss gefunden, in denen eine honiggelbe Flüssigkeit war. Wir standen ratlos vor diesen Funden, die so deutlich wertvoller wirkten und so, als ob sie extra für das Finden gemacht worden wären. Nie hatten wir derlei drüben gehabt. Aber Glitzerbänder gab es auch hier, ich nahm noch einige davon mit und versuchte sie so ganz wie möglich aus den Ästen zu ziehen. Später im Lager sortierten wir Hefte und Pulverpäckchen in eine Kiste, die für Dinge ohne bestimmten Nutzen vorgesehen war. Kurz erwogen wir, die Tabletten dem Großvater zu bringen, aber das hätte zweifellos allerhand Fragen nach sich gezogen, und so ließen wir es fürs Erste sein.
    In den nächsten Nächten träumte ich von den Damen aus den Heften, sie verfolgten mich sogar am Tag, es war eine unangenehme Wiederkehr, sie warteten auf dem Podest der Hofstange auf mich und waren nicht verschwunden, wenn wir alle in der Küche rosa Pfannkuchen aßen, die der Großvater mit besonderer Sorgfalt gemacht hatte. Er hatte sogar, obwohl niemand Geburtstag hatte, Ringelblumen mit eingebacken, in jeden Pfannkuchen eine, auch für meinen Vater, der natürlich zerstreut darum herumaß. Ich wusste nicht genau, was die Damen von mir wollten, aber sie waren da, nicht alle, aber eine oder zwei immer gleiche waren es, und die eine hatte Haare wie Lada. Selbst als in meiner Gutenmorgengeschichte in diesen Tagen eine Sphinx vorkam, stellte ich sie mir vor wie die Dame mit den Beinen auf der Motorhaube, was sicherlich keiner Sphinx auf der Welt gerecht wird, aber so war es eben.
    Ziemlich bald hatte ich den dringenden Wunsch, nach den Heften mit den Damen zu sehen, ja, es ging so weit, dass ich allein hinauf in unser Lager lief, was mir vorher noch nie in den Sinn gekommen war. Die Damen waren noch da. Ich betrachtete sie in aller Ruhe, sie waren wirklich von großer, eigenartiger Schönheit. Andere Hefte waren darunter, mit Herren und solche mit Herren und Damen, davon waren am wenigsten, und die Aufstellungen darin schienen mir recht unklar. Den Herrschaften dort war es übrigens auch etwas albern, das konnte ich an den Gesichtern sehen. Text gab es auch, aber ich konnte ihn nur manchmal lesen, das andere waren Schriften und Wörter, die ich nicht kannte. Was ich las, waren recht hübsche Geschichten, die manches auf den Bildern erklärten, das mit den Autos zum Beispiel, die gewaschen werden mussten, die große Hitze, die einige der Damen erfasst hatte, oder der Besuch, den sie erwarteten. Das machte die Sachen schon klarer. Auch wenn diese Berichte kein Vergleich waren zu den Büchern, die ich las, zusammen mit den Bildern war es doch eine vergnügliche Sache, die ich gern mit meinem Vater besprochen hätte. Er mochte ja außergewöhnliche Verhältnisse. Diese Frauen sahen nicht aus wie die Lene-Mama und auch nicht wie Lada, abgesehen von den Haaren einmal, aber eine erinnerte mich sehr an die Lehrerin, weil sie auf jedem

Weitere Kostenlose Bücher