Vorsätzlich verliebt
Fuchs hineingefallen und kam allein nicht wieder heraus. Ich rief ihren Namen und hörte das leise Bellen. Das Gras dämpfte ihr Jaulen. Also langte ich nach unten, packte sie an den Vorderpfoten und zog sie heraus. Es war, als ob man einer Kuh hilft, ein Kalb zu gebären.«
»O Süße, wie furchtbar für dich.« Liebevoll streichelte Tilly die Ohren der kleinen Hündin, die von Kopf bis zu den Pfoten mit klebrigem Schlamm überzogen war. »Jetzt musst du in die Wanne.«
Jacks Mundwinkel zuckten. »Danke.«
»Nicht du.« Tilly hielt inne. »Aber Gott sei Dank bist du gekommen. Betty wäre gestorben, wenn du sie nicht gefunden hättest. Du hast ihr das Leben gerettet.« Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, wurde ihr deren Bedeutung klar. Gott, welche Ironie. Rose hatte den Hund ihrer Eltern gerettet und war dabei gestorben.
Jack kommentierte das dankenswerterweise nicht. Er sah sie nur an und meinte: »Ich helfe dir.«
Oben im Schlafzimmer shampoonierten und schrubbten sie Betty in der Hundewanne auf Rädern. Betty gefiel es gar nicht, mit dem Duschkopf abgespritzt zu werden, und sie wehrte sich, nach Kräften strampelnd, aber nach zwanzig Minuten war sie wieder sauber. Jack wickelte sie in ein Handtuch und rieb sie vorsichtig trocken. Sekunden später war Betty eingeschlafen, erschöpft von den Strapazen.
Jack brachte die leise schnarchende Betty nach unten und legte sie in ihren Korb. Tilly erhaschte einen Blick von sich selbst im Küchenfenster und staunte über Jacks Fähigkeit, strahlend und unwiderstehlich auszusehen, wohingegen sie selbst einem abgerissenen Flüchtling ähnelte. Nicht, dass das wichtig wäre. Sie war lange über die Phase hinaus, in der sie sich ihm schön präsentieren wollte.
»Danke noch mal.« Jetzt, wo das Drama vorbei war, reichte sie ihm seine Barbourjacke, wollte, dass er ging. »Ich hoffe, ich habe dir deinen Abend nicht ruiniert.«
Er nahm ihr die Jacke ab. »Ich soll jetzt also gehen? Ich habe meinen Zweck erfüllt, und du wirfst mich raus?«
Ja
. Denn das hier ist nicht leicht für mich.
Laut sagte Tilly: »Es ist spät. Du willst doch sicher wieder nach Hause.« Bevor er entgegnen konnte, dass er es nicht eilig habe, fügte sie rasch hinzu: »Ich bin völlig fertig.« Und täuschte sicherheitshalber noch ein Gähnen vor.
Jacks Blick sagte deutlich, dass er eine Fälschung erkannte, wenn er eine sah. »Tilly.« Er schüttelte leicht den Kopf. »Warum machst du es mir immer noch so schwer?«
O Gott. »Das mache ich nicht, ich bin nur müde.« Sie ging zur Tür und öffnete sie.
Bitte geh, bitte geh
.
Jack folgte ihr zur Tür, dann drehte er sich um und legte ihr eine Hand in den Nacken. Er senkte den Kopf, zog sie an sich und küsste sie.
Es fühlte sich an, als ob sie nach Hause gekommen wäre. Das Gefühl seines Mundes auf ihrem, warm und trocken, war gleichzeitig die herrlichste und auch die quälendste Erfahrung ihres Lebens. Es war alles zu viel für sie, denn ihr Körper wollte ihn, aber ihr Verstand brüllte, dass sie es nicht –
auf gar keinen Fall
– geschehen lassen durfte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie einen Teil von sich aus genau diesem Grund zurückgehalten. Aus Angst, verletzt zu werden, musste sie diejenige sein, die die Beziehung kontrollierte, und bislang war ihr das auch immer gelungen. Der Kontrollverlust war viel zu furchteinflößend, um auch nur darüber nachzudenken, vor allem wenn es um jemanden ging, der jede Frau haben konnte, die er wollte, denn warum um alles in der Welt sollte er von allen Frauen ausgerechnet sie wählen? Selbst jetzt, während ihr Herz wie verrückt pochte und das Adrenalin ihren ganzen Körper zum Kribbeln und Prickeln brachte, wusste sie, dass die nachfolgende unermessliche Qual die flüchtigen Augenblicke der Freude bei weitem überwiegen würde.
Seine Hand wanderte von ihrem Nacken zu ihrem Hinterkopf, die andere Hand glitt um ihre Taille. Jack murmelte: »Siehst du? So schlecht bin ich doch gar nicht?«
Tilly schloss die Augen. Es wäre so einfach, ihm zuzustimmen. Sie balancierte auf einem Hochseil, schwankte erst zur einen, dann zur anderen Seite. Der winzigste Ausrutscher, und sie würde hilflos in die Tiefe stürzen. Und von so etwas erholte man sich nicht so schnell.
Komm schon, wäge ab. Eine Nacht, vielleicht zwei Nächte, vielleicht sogar eine ganze Woche mit Jack. Gegenüber Monaten und Jahren selbstzerfleischender Qual und Bedauerns. Denn so würde es sich anfühlen, und genau das würde
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