Vorsätzlich verliebt
gewesen.
Es klingelte, als Jack die Treppe hinunterstieg. Er durchquerte die Eingangshalle und öffnete die Tür, fürchtete sich vor dem, was vor ihm lag, und hatte Schuldgefühle wegen seiner Befürchtungen.
»O Jack.« Dilys warf einen Blick auf ihn und brach in Tränen aus, wie sie es seit dem Tod ihrer Tochter jedes Mal tat, wenn sie sich trafen. Er wusste natürlich, warum. Weil er sie an das glückliche Leben erinnerte, das Rose hätte führen sollen.
Und wer konnte ihnen das verübeln? Wenn der Unfall nicht geschehen wäre, wären Bryn und Dilys mittlerweile stolze Großeltern, würden jetzt ihre Tochter und ihren Schwiegersohn besuchen und das dreijährige Enkelkind mit Geschenken und Zuneigung überschütten. Vielleicht hätten er und Rose mittlerweile noch ein weiteres Baby, und Dilys würde rund um die Uhr stricken. Bryn würde komplizierte Gebilde aus Lego-Steinen bauen und gewissenhaft alles reparieren, was zu Bruch ging … Also gut, jetzt nicht darüber nachdenken, einfach an nichts denken und jetzt bloß nicht anfangen, sich vorzustellen, wie die Kinder ausgesehen haben könnten.
Er umarmte Dilys, schüttelte Bryn die Hand und bat sie ins Haus.
»Oh, danke, du Lieber.« Dilys tupfte sich die Augen mit einem gebügelten Taschentuch, während Jack ihr eine Tasse Tee servierte. »Tut mir leid, dass wir so plötzlich hier auftauchen. Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen.«
Was konnte er da schon sagen? »Natürlich nicht. Ich freue mich, euch wiederzusehen.«
Noch eine Lüge, eine weitere Welle der Scham.
»Nun, es ist eine Weile her.« Bryn rührte bedächtig Zucker in seinen Tee.
»Ich weiß. Es tut mir leid.«
» 23 Monate.«
»Ich hatte viel zu tun.« Jack fühlte sich zunehmend unbehaglicher.
»Ist schon gut. Wir wissen das ja. Und verstehen das auch«, sagte Dilys. »Du musst dich um deine Arbeit kümmern.«
»Wie geht es euch?« Er hasste es, die Frage zu stellen, weil er wusste, welche Richtung das Gespräch daraufhin einschlagen würde.
»Nun ja, nicht so gut.« Traurig schüttelte Dilys den Kopf mit der ordentlichen Dauerwelle. »Wir versuchen alles, uns auf Trab zu halten, aber nichts scheint wirklich zu helfen.«
Bryn meinte: »Vandalen sind in den Friedhof eingebrochen und haben alle Grabsteine mit Graffiti besprüht.«
»
Wie bitte?
«
»Ach Bryn, das musst du ihm doch nicht erzählen.« Dilys nahm Jack bei der Hand. »Tut mir leid, mein Lieber, das wollten wir dir eigentlich gar nicht sagen.«
»Aber er sollte es wissen. Es ist der Grabstein seiner Verlobten. Mit Obszönitäten besprüht.« Bryn schüttelte betrübt den Kopf. »Das hat uns das Herz gebrochen.«
»Wann ist das passiert? Kann man das nicht säubern?« Bestürzt fragte Jack weiter: »Wer war das?«
»Das weiß keiner. Irgendwelche dummen Kinder, könnte ich mir denken. Ist schon gut, wir haben es geschafft, den Stein wieder sauber zu bekommen.«
»Er hat drei Wochen dafür gebraucht«, erzählte Dilys. »War jeden Tag dort, jeden Tag! Aber am Ende hat Bryn es geschafft. Hat sich dabei die Haut von den Händen geschrubbt, nicht wahr, Liebes?«
»Ich konnte erst aufhören, als der Grabstein meiner Tochter wieder makellos war. Und die Blumen, die wir gepflanzt haben, sehen auch wieder gut aus.«
Jack nickte, stellte sich die Szene vor, brachte keinen Ton heraus.
»Hier, mein Lieber, schau selbst. Wir haben Fotos für dich gemacht. Hoffentlich dauert es nicht allzu lange, bevor du es selbst einmal in Augenschein nehmen kannst.« Dilys zog ein kleines Fotoalbum aus ihrer cremefarbenen Lederhandtasche und reichte es ihm. »Das würde uns gefallen, nicht wahr, Bryn? Du könntest bei uns wohnen und so lange bleiben, wie du magst … ach herrje, wo habe ich nur mein Taschentuch?«
Dann heulte sie wieder los, dieses Mal brachen alle Schleusen. Bryn versuchte sein Möglichstes, sie zu trösten. Zu Jack sagte er: »Wir durchleben gerade harte Zeiten. Alle scheinen Rose zu vergessen. Früher hat man uns gefragt, wie es uns geht, und wir konnten über sie reden. Aber jetzt denken offenbar alle, wir sollten das hinter uns lassen. Weiterleben. Aber die verstehen nicht. Wir können das nicht hinter uns lassen, und wir wollen sie nicht vergessen. Neue Leute ziehen ins Dorf, die sie nicht gekannt haben – ihnen bedeutet Rose nichts. Nun ja, wie sollte es auch? Aber für uns ist sie einfach alles.«
»Darum mussten wir dich heute einfach besuchen.« Dilys weinte immer noch. Sie schüttelte den Kopf und wischte sich
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