Vorsaison
wie beiläufig. Bei dem Wort Séparée wurde ich
hellhörig und wiederholte das Wort, mit greller Stimme. Corinna winkte gleich
ab und beschwichtigte mich, dass wir das gar nicht nötig hätten — selbst
die blassen, sommersprossigen Schottinnen hätten das nicht nötig! Im „Mau-Mau“
sei einzig und allein Rosi fürs Séparée zuständig.
Irgendwie hatte ich plötzlich gar
kein Interesse mehr daran, Corinna zu begleiten. Corinna schien das zu spüren.
>>Weißt du was<<, meinte
sie deshalb, >>wir gehen jetzt erst mal dahin und ich zeige dir alles. Dann
gehen wir was essen und wenn du danach nicht mehr mitkommen möchtest, ist es
auch OK und ich lasse mir was einfallen, was ich Paco sage.<<
Das „Mau-Mau“ lag ungefähr fünf
Minuten zu Fuß von Ernies piso entfernt. Außer Ernie hatte ich auch
niemandem gesagt, wo ich gedachte den Abend zu verbringen. Ernie hatte
daraufhin missbilligend den Kopf geschüttelt. Schnell hatte ich deshalb
erklärt, ich ginge ja nur mal mit, weil ich es Corinna aus einer Laune heraus
versprochen hätte — was mir nun aber schon Leid täte. Aus Ernies Kopfschütteln
wurde ein Nicken, so als ob er es besser wüsste.
Eine billige rote Neonreklame, die in
Schreibschriftform die Worte Mau Mau zeigte, blinkte über der schäbigen
Holztür. Das „Mau-Mau“ selbst war kaum mehr als ein Flur; lang und schmal. Die
Theke war das vorherrschende Objekt und fast genauso lang wie der Raum selbst.
Vor der Theke standen im Abstand von circa 20 cm, circa zwanzig Barhocker.
Dahinter war gerade noch genug Platz um zwischen Hockern und Wand
entlangzugehen. Die Wand war mit Spiegel-Fließen gekachelt, von denen die
meisten gnädiger weise schon erblindet waren. Auch das Mobiliar war alt und
schäbig. Der schwarze Teppichboden übersät mit Brandlöchern und aus einigen der
rot gepolsterten Barhocker schaute gelber Schaumstoff hervor. Ganz hinten befand
sich eine schmierige, kleine Toilette, die von Gästen und Personal, von Männern
und Frauen gleichermaßen benutzt wurde. Klopapier gab es keines, aber ich hatte
mir sowieso schon angewöhnt, in Spanien immer ausreichend Papiertaschentücher
dabei zu haben. Rechts neben der Toilette waren zwei kleine Séparées — nur
durch einen dünnen Vorhang von der Bar abgetrennt und auch das diffuse,
rötliche Licht konnte nicht übertünchen, dass das „Mau-Mau“ eine heruntergekommene
Spelunke war!
Zu allem Überfluss klang aus
den Musikboxen auch noch andalusischer Flamenco und bei aller Liebe zu Spanien,
ich war nie ein Fan von Volksmusik gewesen — weder spanischer noch sonst einer!
Hinter der Theke hantierte ein kraushaariger Spanier mittleren Alters — in
Stoffhose, billigem Arbeitshemd und dem obligatorischen Wollpullunder. Ein
riesiger Schnauzbart verdeckte seinen Mund. Corinna stellte mich Paco vor. Zuerst
dachte ich, ich hätte mich verhört. Das war Paco? Der Paco, mit dem
Corinna ein Verhältnis hatte?! Im Gegensatz zu ihm waren ja selbst die Typen
aus dem „Moby’s“ noch die absoluten Sahneschnitten! Während ich noch dabei war,
all diese Eindrücke zu verdauen, streckte Paco auch schon über die Theke hinweg
die Hand aus. Automatisch ergriff ich sie und während Paco meine Hand kräftig
zu schütteln anfing, nuschelte er etwas in seinen ungepflegten Bart.
>>Was hat er gesagt?<<,
fragte ich Corinna leicht genervt.
>>Dass du gut aussiehst und er
sich freut, dich endlich kennen zu lernen<<, übersetzte Corinna freudestrahlend.
>>Hm<<, machte ich und Corinna
schob mir schnell einen Hocker unter. Dann fragte sie, was ich denn trinken
wolle. Einen O-Saft sagte ich, erinnerte mich dann daran, wo wir waren und
wiederholte es noch einmal auf Spanisch und an Paco gewandt: >>Quiero
un zumo de naranja, por favor.<<
Paco zog die Augenbrauen hoch und
sagte etwas auf sehr schnellem Spanisch zu Corinna, wobei er auch noch die
Hälfte der Silben verschlang — oder sie wurden einfach von seinem riesigen
Schnauzbart verschluckt. Corinna warf mir einen raschen Blick von der Seite zu
und erwiderte dann etwas, woraufhin Paco die Augen verdrehte und wieder anfing
hinter der Bar herumzuhantieren. Dann stellte er ein Glas mit Orangensaft vor
mich und Corinna bekam ein Glas mit etwas Grünem darin. Als sie meinen
fragenden Blick sah, lachte sie und sagte, dies sei licor de menta, Pfefferminzlikör
mit Wasser verdünnt.
Wir waren schon um halb acht im
„Mau-Mau“ gewesen, weil Corinna darauf bestanden hatte, mir alles in Ruhe
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