Vorsicht, frisch verliebt
Baby mitten in der Nacht zu Mami und Daddy laufen musst.«
Sie belohnte ihn mit diesem herablassenden Blick, den sie von ihrer Mutter übernommen hatte. »Dr. Isabel sagt, wir müssen über unsere Gefühle reden.«
»Tja, wir alle wissen inzwischen, dass du dich vor Spinnen fürchtest, und sind dein Gejammer leid. Außerdem versteckst du hinter deiner Furcht vor Spinnen sowieso eine völlig andere Angst.«
»Das hat sie auch gesagt. Sie meinte, eigentlich hätte ich Angst, dass Mom und Dad sich nicht mehr lieben.«
»Darüber brauchst du dir überhaupt keine Gedanken mehr zu machen.«
»Du meinst also, dass ich mich nicht länger vor Spinnen fürchten soll?« Ihr Blick war vorwurfsvoll und skeptisch, Ren jedoch meinte, darin auch eine Spur von Hoffnung zu entdecken.
»Du brauchst sie ja nicht unbedingt zu mögen, aber hör endlich auf, sie derart wichtig zu nehmen. Besser, man stellt sich seiner Angst, als dass man pausenlos vor ihr davonläuft.«
Heuchler. Wann hatte er sich selbst jemals der jahrzehntealten Leere in seinem Inneren gestellt?
Sie kratzte sich an der Hüfte. »Weißt du, dass wir hier zur Schule gehen müssen?«
»Ich habe es gehört.« Anscheinend hatte Jeremy eine Rebellion der Kinder gegen den Unterricht der Mutter angezettelt, worauf Harry die Kinder bis zu ihrer Rückkehr in die Staaten, Ende November, in der Schule in Casalleone angemeldet hatte. Auf Harrys Frage hatte Ren erklärt, dass sie bereits genügend Italienisch sprächen, um einiges zu verstehen, und dass es sicher eine wertvolle Erfahrung für sie wäre. »Wirst du Dr. Isabel heiraten?«
»Nein!«
»Warum nicht? Du hast sie doch gern.«
»Weil Dr. Isabel zu nett für mich ist, darum.«
»Ich finde dich auch nett.«
»Das liegt nur daran, dass du ein viel zu weiches Herz hast.«
Gähnend schob sie ihre Hand in seine Pranke. »Bringst du mich wieder ins Bett?«
Er blinzelte auf sie herab und drückte sie kurz an sich.
»Okay, aber nur, weil ich gerade Langeweile habe.«
Am nächsten Morgen versammelten sich alle vor der Villa, um den Briggs nachzuwinken, auch wenn sie nicht weit fuhren. Ren steckte Jeremy ein paar CDs zu, von denen er wusste, dass sie ihm gefielen, akzeptierte einen klebrigfeuchten Kuss von Connor, applaudierte, als Brittany ein letztes Rad schlug und gab Steffie nochmals den guten Rat, nicht länger feige zu sein. Isabel sprach mit jedem außer ihm. Nach ihrem Weltbild war die Tatsache, dass er nicht mit ihr über das Drehbuch gesprochen hatte, ein mittelschwerer Verrat.
Als der Wagen die Einfahrt hinunter verschwand, winkte sie Anna freundlich zu und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Haus. Marta zöge zu den Briggs, um Tracy bei der Versorgung der Kinder behilflich zu sein, und so wäre Isabel zum ersten Mal seit Tagen völlig allein. Während Ren ihr hinterhersah, wie sie den Weg hinunterstapfte, lag das Brötchen, das er zum Frühstück gegessen hatte, bleischwer in seinem Magen. Am besten, er wartete nicht länger. »Warte«, rief er. »Ich habe was für dich.«
Sie blieb stehen, und er musterte den ordentlich um ihre Hüfte gebundenen schwarzen Pullover und ihr sorgfältig frisiertes Haar. Alles an ihr war wohl geordnet, außer dem, was sie für ihn empfand. Hatte sie denn nicht begriffen, dass sie der Lockung des Verbotenen erlag? Damit war sie allerdings nicht allein.
Er nahm das Drehbuch, das er zwischen den Stäben der Balustrade zurückgelassen hatte, trug es zu ihr hinüber und hielt es ihr hin. »Hier, nimm.«
Sie sagte keinen Ton. Blickte nur wortlos auf das schwarz gebundene Buch.
»Los. Lies es.«
Anders als er enthielt sie sich einer sarkastischen Bemerkung.
Sie nickte, klemmte sich das Werk unter den Arm und entfernte sich wortlos. Bestimmt hatte er das Richtige getan, sagte er sich. Aber sie würde ihm tatsächlich fehlen. Alles würde ihm fehlen ... außer der nagenden Gewissheit, dass er sie in irgendeiner Weise korrumpierte.
Den Rest des Morgens verbrachte er, um nicht eine Zigarette nach der anderen zu rauchen, bei Massimo im Weinberg. Während er dem Winzer lauschte, versuchte er nicht daran zu denken, welche Szene Isabel gerade las oder wie sie darauf reagierte. Stattdessen verfolgte er schweigend, wie der Alte skeptisch Richtung Himmel blickte und über all die Katastrophen lamentierte, mit denen vor Beginn der Lese am folgenden Tag gerechnet werden müsste - ein plötzlicher Sturm oder ein früher Frost würde genügen, und schon wären die herrlich reifen
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