Vorsicht Nachsicht (German Edition)
nachdenken, wie es weitergeht.«
Ich murmle etwas Verständnisvolles. Wut ist wohl normal. Aber ich bin nicht wütend. Nur enttäuscht und traurig. Mit dem Rücken zu Viktor starre ich in das dunkle Zimmer. An Schlaf ist nicht zu denken. Meine Gedanken schwirren um Kilian und unsere nächste Begegnung. Ich spiele verschiedene Szenarien durch. Nun schweigt auch Viktor. Ich bin mir jedoch sehr sicher, dass er ebenfalls nicht schlafen kann. Die Zeit schleicht dahin und schließlich wird es heller. Dennoch rührt sich keiner von uns beiden.
***
Ich muss doch noch einmal weggedöst sein, denn plötzlich ist es zehn und jemand klingelt an meiner Tür. Ein wenig verstört schrecke ich auf und mache neben mir immer noch Viktor aus. Dieser richtet sich nun ebenfalls auf und blinzelt verschlafen. Dann flucht er auf Russisch und lässt sich zurück in die Kissen fallen. Es klingelt erneut. Es fällt mir plötzlich wieder ein, dass Kilian kommen wollte, um mich mit irgendwas zu überraschen.
»Du musst gehen«, erkläre ich Viktor und springe aus dem Bett, um den Summer zu drücken.
»Ist er das?«, knurrt Viktor sauer.
»Wahrscheinlich, aber das überlässt du mir«, befehle ich und werfe ihm seine Sachen zu. »Kümmere du dich um deinen Vitali und ich mich um meinen Kilian.«
»Ich dachte, dein Kilian gehört allen«, knurrt Viktor, zieht sich aber tatsächlich gehorsam an. Da klopft es auch schon an der Tür. Verdammt, irgendwie wirkt es verfänglich. Ich habe nicht sonderlich viel an. Aber wenn ich jetzt zögere, wird es auch nicht besser.
Seufzend bewege ich mich also wieder zur Tür und öffne sie. Tatsächlich: Es ist Kilian. Und er lächelt, als wäre nichts geschehen. Ich sollte wirklich wütend auf ihn sein. Aber da ist er schon auf mich zu getreten und hat die Arme um mich geschlungen.
»Hey Tiger, ich hab‘ dich so vermisst!«, sagt er und küsst mich auf den Mund.
»Ach wirklich«, knurrt da Viktor plötzlich hinter uns. »Ich glaub‘, ich muss kotzen.«
Ich dagegen weiß nicht, wonach mir ist: Herzklopfen oder Übelkeit. Jedenfalls will ich nicht, dass die beiden aufeinander losgehen. Kilian verspannt sich nämlich sofort, als er Viktor ausmacht.
»Wer ist das?«
»Ein Freund«, antworte ich schnell. »Und er wollte gerade gehen!«
»Ja, ja.« Viktor macht sich nicht mal die Mühe sich die Schuhe zuzubinden. Er stürmt an uns vorbei, nachdem er Kilian noch einen tödlichen Blick zugesandt hat. »Schieß den Wichser ab, Ruben. Ernsthaft.«
Ehe ich darauf noch etwas erwidern kann, fällt die Tür ins Schloss. Ich löse mich aus Kilians Armen, was mir nicht schwer fällt, denn der schenkt mir wenig Beachtung. Er schaut immer noch verdutzt und mit wachsender Empörung auf die Tür. Doch dann wandert sein Blick zu mir weiter. Ein wenig fassungslos sieht er mich an.
»Wer war das?«
»Viktor. Ein Freund von mir«, wiederhole ich noch einmal.
»Ein Freund? Er hat hier geschlafen? Habt ihr…?!« Kilian schüttelt perplex den Kopf und sieht mich aus großen Augen an. Irritiert und überrascht zugleich. Dann wird sein Blick kalkulierend und finster.
Mir fehlen die Worte. Er tut so als…
Seine Augen werden schmaler und er wirkt tatsächlich ziemlich wütend. »Habt ihr wirklich?!«
»Nein«, hauche ich immer noch sprachlos. Was soll das? Ich habe nicht… Aber er hat! Mein Herz pocht schmerzhaft gegen die Rippen. Mein Mund ist plötzlich sehr trocken.
»Und was macht er dann hier? Er hat sich eben angezogen, oder?«, hakt Kilian streng nach. Er blickt vielsagend auf meinen leicht bekleideten Zustand. Ich werde rot, auch wenn ich gar nichts gemacht habe. Mühsam schlucke ich und schüttle den Kopf.
»Nein, ich meine, ja, er hat hier geschlafen. Aber es war nichts…«, erkläre ich stockend.
»Und wieso schläft er hier?«, fragt Kilian ein bisschen lauter.
Ich öffne den Mund, um zu antworten, weiß aber nicht, was ich sagen soll. Mühsam balle ich meine Hände zu Fäusten, um ihr Zittern zu verbergen. In meinem Hals bildet sich ein fester Knoten, der das Atmen schon erschwert – vom Sprechen ganz zu schweigen. Kilian sieht mich so böse an. Dabei ist es doch er, der sich etwas vorzuwerfen hat! Ich schüttle leicht den Kopf und versuche, mich zusammenzureißen. Unwillkürlich weiche ich noch weiter von ihm zurück.
»Weil du…«, beginne ich leise mit rauer Stimme und räuspere mich mühsam, »… seinen Freund gefickt hast. Und sie sich deswegen gestritten haben und dann konnte er da
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