Vorsicht Nachsicht (German Edition)
darf.« Er kommt auf mich zu und bleibt schließlich nahe vor mir stehen. Viel zu nahe. Ich werde ein wenig nervös. Keine Ahnung, warum. Jedenfalls will ich Viktor nicht auf die Nase binden, dass Kilian und ich beide nichts mehr außerhalb der Beziehung dürfen. Es wäre mir unangenehm, wenn später herauskommt, dass Kilian mich doch noch einmal betrügt. Aber das ist sowieso irrelevant: Ich will nicht, dass Kilian auf komische Ideen kommt, wenn er Viktor hier sieht. Was Viktor denkt, ist mir ziemlich egal.
»Ich darf dich garantiert hier haben, ja«, stimme ich zu. »Aber ich werde gleich abgeholt und ich bin noch nicht fertig. Beschissenes Timing.«
»Du siehst aber so aus, als wärst du fertig«, meint Viktor und seine Augen verengen sich. Diesen Blick setzt er häufiger auf. Ich werde dadurch erst recht unruhig. War will er von mir? Will er mich wirklich vor Kilian retten? Ich will nicht gerettet werden!
»Ich hab‘ nicht mal Socken an, Viktor«, knurre ich ungeduldig.
»Na schön...« Ehe ich mich versehe, hat er sich vorgebeugt und mich in seine Arme gezogen. Verdutzt lasse ich es geschehen. Es soll wohl so etwas wie eine Abschiedsumarmung sein. Verdammt, so etwas mochte ich noch nie. Unbeholfen klopfe ich ihm auf die Schulter, ehe ich ihn von mir schiebe.
»Bye.«
»Wie kalt«, stellt Viktor grinsend fest und streicht mir über den Arm, ehe er tatsächlich endlich geht. Erleichtert schließe ich die Tür hinter ihm und kümmere mich als erstes um die Socken. Ich habe sie gerade angezogen, als es erneut klingelt. Hoffentlich ist es diesmal Kilian. Und hoffentlich hat er Viktor nicht gesehen .
Diesmal ziehe ich mir gleich die Schuhe an und laufe ihm entgegen. Wir treffen uns im Treppenhaus und ich laufe in seine Arme. Lächelnd fängt er mich auf und drückt mich an sich. Fühlt sich ganz anders an als Viktor. Natürlich: Kilian riecht besser, hat einen kräftigeren Körper und ich liebe ihn.
»Hey, Tiger«, grüßt er mich zärtlich.
Wir küssen uns. Ich glaube nicht, dass er Viktor gesehen hat. »Hey.«
»Lass dich anschauen«, bittet er und schiebt mich ein wenig von sich. Ich werde verlegen unter dem Blick seiner blauen Augen. Aber auch das fühlt sich ganz anders an als bei Viktor. Jetzt gibt er ein leises Pfeifen von sich. Er grinst mich an. »Sexy.«
»Du siehst sexy aus.« Schmunzelnd zupfe ich an seiner Lederjacke. Er hat sie tatsächlich angezogen. Dabei ist wirklich kein Jackenwetter. Viel zu warm.
»Ich hatte überlegt, ob ich das Hemd darunter weglassen soll«, gesteht er neckend. »Aber ich hatte Angst, dass sie mich dann nicht ins Restaurant lassen.«
»Ich hatte doch gesagt, dass ich drüber hinweg bin«, brummle ich und muss dennoch grinsen.
»Ja, klar.« Kilian zwinkert mir zu. »Solche Eindrücke prägen für immer. Da muss ich mithalten.«
»Tust du«, versichere ich ihm. Er übertrifft sie sogar noch.
Lächelnd gibt er mir noch einen Kuss, ehe er meine Hand nimmt und wir das Treppenhaus endlich verlassen. Sein Auto steht direkt vor dem Haus. Zuvorkommend öffnet er mir die Tür und lässt mich einsteigen. Grinsend leiste ich seinem Kavalierverhalten Folge und lasse mich auf den Beifahrersitz fallen.
»Wohin gehen wir essen?«, erkundige ich mich, als wir losfahren.
»In ein nettes indisches Restaurant?«, schlägt Kilian vor. »Ich kenne da eins, das ist wirklich super.«
»Okay«, stimme ich leichthin zu. Mir eigentlich egal, wo. Indisch klingt gut.
»Gut. Freust du dich schon aufs Tanzen?«, erkundigt er sich.
»Mhm.« Eher freue ich mich auf das Tanzen mit ihm. Der ‚ mit ihm‘ Teil ist dabei entscheidend. Er lächelt, konzentriert sich aber weiter auf das Fahren. Wir verlassen Lüneburg und fahren auf die Umgehungsstraße.
»Willst du eigentlich was trinken?«, erkundige ich mich. »Ich meine, ich könnte ja auch zurückfahren, wenn du möchtest.«
Einen Führerschein haben mir meine Eltern immerhin noch finanziert, bevor sie mich rausgeschmissen haben. Zu diesem Zeitpunkt haben sie noch nicht mit Sicherheit gewusst, dass ich schwul bin. Bis dahin war ich nur ihr merkwürdiger Sohn, der sich nicht anpassen kann und keine Freunde hat.
»Hm nein. Ich muss nichts trinken.«
»Okay, ich meine nur, weil eigentlich trinke ich eh nichts«, erkläre ich. »Das macht also keinen Unterschied für mich.«
»Das ist lieb, Tiger, aber entweder bleiben wir beide nüchtern oder trinken beide was. Im Prinzip könnten wir auch bei meinen Eltern schlafen. Dahin fährt eine
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