Vorsicht Nachsicht (German Edition)
schwer es ihm fällt, nicht doch noch eine vernichtende Bemerkung hinterher zu schieben. Daher bin ich auch ganz froh, als endlich das Telefon klingelt. Sofort eile ich hin.
»Hallo?«
»Hi, Tiger.« Kilian endlich. Er klingt müde.
»Hi«, hauche ich. »Klingt, als hättest du einen anstrengenden Tag gehabt.«
»Hatte ich«, bestätigt Kilian. »Hatte ein unangenehmes Gespräch mit meinem Chef und bin nicht gerade bester Laune.«
»Oh.« Heißt das, er will mich nicht sehen?
»Ja, ehrlich gesagt, bin ich noch ziemlich geladen.« So klingt er nicht, aber ich weiß, dass er sich in dem Fall auch sehr gut beherrschen kann.
»Ich soll also nicht vorbei kommen?«, erkundige ich mich behutsam.
Er seufzt und zögert dann. »Nein, so war das nicht gemeint. Ich würde dich gerne sehen.«
»Aber?«
»Na ja, ist die Frage, ob du mich so sehen möchtest.«
»Natürlich!«, entscheide ich mich schlicht. Mies drauf oder nicht. Vor allem will ich nicht, dass er sich jemand anderen sucht, um sich abzureagieren. Der Gedanke schwingt wohl immer mit.
»Na gut, ich stehe vor deiner Tür.«
»Was?«, frage ich verdutzt.
»Unten im Auto.«
»Oh.« Hat er Viktor dann beim Rausgehen gesehen? Ich hoffe nicht. »Okay, dann komme ich gleich runter.«
»Gut, dann bis gleich.« Er legt auf.
»Lass mich raten: Kilian?«, meint Torben spöttisch. »Das bedeutet wohl, ich werde wieder rausgeschmissen.«
»Du kannst natürlich solange bleiben wie du willst«, antworte ich. »Aber ich bin jetzt weg. Kilian wartet unten im Auto auf mich.«
»Fein«, brummt Torben. »Wann hast du denn mal wieder Zeit für mich?«
»Donnerstag schätze ich«, antworte ich. »Mittwoch arbeite ich wieder und anschließend geh ich meistens zu Kilian.«
»Gut, mal sehen.«
Ich nicke und sammle mir hastig Wechselsachen für den nächsten Tag zusammen, die ich in meinen Rucksack stopfe. Mir wird gerade bewusst, dass wenn ich mit Torben zusammen rausgehe, Kilian keinen dummen Verdacht haben wird wegen Viktor, selbst wenn er ihn gesehen hat.
So ist es dann auch. Zumindest gibt mir Kilian einen Begrüßungskuss, dem kein Argwohn anzumerken ist, als ich mich zu ihm ins Auto setze, nachdem ich mich von Torben verabschiedet habe.
»Hey«, grüße ich ihn anschließend lächelnd.
»Hey«, murmelt er und startet das Auto. Dass er nicht zurück lächelt, ist selten.
»Magst du mir erzählen, worum es bei dem Gespräch mit deinem Chef ging?«, erkundige ich mich behutsam.
Er seufzt. »Später. Hast du schon Abendbrot gegessen?«
»Hm, na ja, eher nicht«, gestehe ich.
»Was heißt ‚eher nicht‘ ?«
»Einen Apfel und einen Müsliriegel.«
Er verkneift sich einen Kommentar zu meiner unvernünftigen Ernährung und meint nur: »Passt ganz gut. Ich habe auch noch nichts gegessen.«
»Gut.« Ich hatte irgendwie gedacht, dass er nicht so lange arbeiten muss und wir so oder so zusammen essen. Schweigend fahren wir weiter zu ihm. Ich grüble im Stillen, wie Kilians Chef ihm so die Laune verderben konnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kilian keine gute Arbeit leistet. Ihn wollten doch sogar schon Hamburger Sender abwerben, nach dem Zugunglück und seiner Berichterstattung darüber.
Bei Kilian angekommen, schmeiße ich meinen Rucksack ins Schlafzimmer, ehe ich ihm in die Küche folge und ihm beim Tischdecken helfe. Mir fällt nichts ein, worüber man sich unbefangen unterhalten könnte. Kilian steht der Sinn wohl auch nicht nach reden. Er wirkt nach wie vor angespannt.
»Ich habe heute morgen frisches Brot gekauft«, meint er schließlich beiläufig.
»Cool«, murmle ich, während ich das Besteck auf die Brettchen lege.
»Was hast du denn heute so getrieben?«, will er wissen.
»Ich hab gelesen, teils für die Uni, teils den Roman, den du mir ausgeliehen hast«, antworte ich. »Und heute Abend ist Torben vorbei gekommen. Läuft wohl nicht so gut mit Manu. Und Viktor war kurz da, um mir zu sagen, dass die Prüfungsergebnisse aushängen.«
»Oh und?«
»Alle bestanden«, antworte ich.
»Toll«, lobt Kilian und das erste Mal erscheint so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht. Es wirkt jedoch etwas gezwungen. Vielleicht auch wegen der Erwähnung von Viktor. »Und was ist mit Torben und Manu?«
Ich berichte ihm von Torbens Problemen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Kilian hört mir schweigend zu. Er scheint nicht sonderlich viel Appetit zu haben. Schließlich holt er sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
»Magst du auch eins?«
»Nein,
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