Vorsicht Nachsicht (German Edition)
im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Nach dem Kaffeetrinken werde ich verschwinden. Es fährt ein Bus. Aber notfalls laufe ich auch zu Fuß in die Stadt zurück.
***
Es gelingt mir tatsächlich, den Bus zu erwischen und nach Hause zu fahren. Er hält sogar ganz in der Nähe. An einer Hauptstraße bei der Tankstelle, wo sich die geizigen ‚ Vía‘ -Besucher ihren Alkohol besorgen. Ich brauche nur zehn Minuten zu Fuß, um meine Wohnung zu erreichen.
Dann setze ich mich erst einmal hin und wiederhole endlich den Stoff, den ich während der Woche gepaukt habe. Nicht sehr ergiebig. Wie schon während der ganzen Woche, muss ich auch jetzt ständig an Kilian denken. Nächste Woche muss ich mich mehr zusammenreißen. Ich Idiot. Aber immerhin ist noch alles so neu. Ich habe einen Freund, verdammt noch mal.
Um neun halte ich es nicht mehr aus. Keine Ahnung, was mich geritten hat, aber ich greife tatsächlich nach meinem Telefon und fische Kilians Karte aus meinem Portemonnaie. Mein Herz rast, meine Ohren brennen und vor dem ersten Tuten lege ich noch einmal auf, weil meine Kehle so trocken ist, dass ich Angst habe, keinen Ton herauszubringen. Ich trinke ein Glas Wasser, renne noch einmal aufs Klo und versuche es dann erneut. Es ist besetzt.
Fassungslos starre ich auf den Hörer. Ironie des Schicksals. Mit einem frustrierten Seufzen lasse ich mich auf mein Bett fallen und rolle mich zusammen. Ich will seine Stimme hören. Am liebsten sofort. Eigentlich will ich viel mehr. Ich will ihn sehen, riechen, anfassen. Seine Stimme, auch wenn sie am Anfang alles war, was ich von ihm kannte, reicht mir schon lange nicht mehr. Es sind keine Träume mehr. Ich habe richtige Sehnsucht nach ihm.
Abermals greife ich nach dem Telefon. Diesmal erklingt das Freizeichen und ich werde wieder irrational nervös, als ich auf seine Stimme warte. Es dauert einen Moment. Mein Herz beginnt zu pochen. Dann ertönt ein leises Klicken und…
»Hallo, Kilian Hubert hier, oder vielmehr nicht hier. Sprecht mir aufs Band, ich rufe euch zurück.« Es macht piep. Ich lege wieder auf und verkrieche mich auf mein Bett zurück. Betrübt starre ich auf mein Telefon. Eben war doch noch besetzt. Warum geht er jetzt nicht ran? Ich mag nicht auf sein Band sprechen. Schon gar nicht so spontan. Jetzt habe ich seine Stimme zwar gehört, aber das reicht mir nicht. Vielleicht nimmt er aber ab, wenn er noch da ist und hört, wie ich aufs Band spreche. Vielleicht hat er sich aber auch eben mit jemandem verabredet und ist sofort los… Scheiße, plötzlich bin ich eifersüchtig auf denjenigen, der ihn heute Abend sehen kann. Ich hätte nicht Nein sagen sollen…
Die innere Unruhe treibt mich wieder ans Telefon. Ich will wissen, ob er doch tatsächlich nicht da ist. Wenn er meine Nachricht hört, muss er mir… na ja, müssen nicht, aber normalerweise würde er mir doch dann sagen, warum er nicht da war. Einen Moment überlege ich noch, was ich sagen soll. Ich hasse Anrufbeantworter. Schließlich reiße ich mich zusammen. Alles andere ist doch lächerlich. Ich drücke die Wahlwiederholungstaste. Es klingelt.
»Hubert.«
Ich brauche einen Moment um zu realisieren, dass ich diesmal nicht mit einer Blechbüchse spreche. Mir fällt ein Stein vom Herzen.
»Hallo?«, fragt seine tolle Stimme nochmals durch den Hörer.
Scheiße, Ruben, reiß dich zusammen! »Hi, ich bin’s.«
Weiß er, wer ‚Ich bin’s‘ ist? Aber meinen Namen jetzt noch nachzuschieben, ist auch blöd. Außerdem soll er ja auch nur einen ‚Ich bin’s‘ kennen. Zum Glück braucht Kilian nicht lange, um meine absurden Gedanken zu unterbrechen.
»Hey…« Seine Stimme klingt sanft. »Na, wie war dein Familiending?«
»Ging.« Mir fehlen jetzt schon die Worte. Scheißidee, ihn anzurufen. Ein mundfauler Esel wie ich am Telefon… Beinahe habe ich Mitleid mit ihm. Ich zwinge mich dazu, auch etwas zu fragen. »Und dein Tag?«
»Ich hab‘ dich vermisst.«
Meine Ohren werden heiß. Ehrlich? Nein, das sagt er nur so. Aber ich habe ihn auch vermisst. Ich muss mich nur noch dazu bringen, es in die Sprechmuschel zu sagen. Allerdings vertraue ich meiner Stimme nicht sonderlich bei solchen Aktionen.
»Hast du schon gelernt?«, erkundigt er sich mit sachlicherer Stimme. Mist. Ich habe zu lange gezögert. Jetzt fühlt er sich vielleicht zurückgewiesen. Ich bin ein Idiot. Jetzt nicke ich. Oh Gott, dass kann er natürlich nicht sehen. »Ja, eben. Äh… was hast du gemacht?«
»Ach, eigentlich
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