Vorsicht Niemandsland
und durchaus seriöse Wissenschaftler in dieser Lausbubenart den Mund verziehen. Darf ich Sie aber auch darüber aufklären, daß Sie seit vorgestern ebenfalls einen aparten Spitznamen führen? Jeder, der Sie in dem Desinfektionswagen erlebt hat, nennt Sie seitdem der ›Arme Mann‹; ›arm‹ natürlich großgeschrieben, da es sich hier eindeutig um einen Eigennamen handelt. Hallo, wo bleibt denn Ihr spöttischer Gesichtsausdruck?«
Ich starrte sie sprachlos an. Es war einfach nicht zu fassen.
Diesmal lachte sie auf meine Kosten. Mir blieb keine andere Wahl, wollte ich mich nicht blamieren, als mit einzufallen. Allerdings wirkte meine Heiterkeit leicht gequält.
»Fein, Armer Mann! Nachdem wir uns also gegenseitig etwas beschnuppert haben, können wir ja durch diese Tür schreiten. Ich gehöre übrigens zu dem Personenkreis, der allerlei streng geheime Dinge erforscht hat. Ich bin Bakteriologin, Spezialgebiet Radio-Serologie. Fragen Sie mich aber nicht, ob wir bereits den Erreger der Marsseuche gefunden oder gar ein Gegenmittel entdeckt hätten. Ich kann Ihnen doch gar nichts sagen, zumal man uns vorläufig nicht an den Bazillenträger heranläßt. Im Gegensatz zu den positiv Infizierten ist Kosternas Blutbild so einwandfrei, wie es nur sein kann. Wir stehen vor einem Rätsel; vor einem großen Rätsel.«
Ihre schmalen Hände zitterten, als sie nach einer Zigarette griff. Ich gab ihr wortlos Feuer und überlegte krampfhaft, was diese Wissenschaftlerin eigentlich von mir wollte. Sie redete etwas zuviel. Ich hatte den Eindruck, als wollte sie nur langsam auf den Kern der Dinge kommen. In solchen Fällen schweigt man am besten.
»Sind Sie immer so zurückhaltend?« fragte sie leicht gereizt. »Keine Fragen? Alle Leute versuchen, uns zu unbedachten Äußerungen zu verleiten, so oft erkundigen sie sich nach Dingen, die wir selbst nicht wissen. Sie stehen da, als ginge Sie das alles nichts an.«
Ich steckte mein Feuerzeug ein und stand langsam auf. Ihre Haltung wurde förmlich, als ich gelassen entgegnete:
»Genug des Versteckspiels, Doktor. Was wollen Sie von mir? Sind Sie vom Chef beauftragt, mir Informationen zu geben?«
Sie drückte die kaum angerauchte Zigarette aus. Dann erhob sie sich so schwerfällig aus dem Sessel, als lastete eine Bürde auf ihr.
»Okay, Sie haben mich ertappt«, meinte sie leise. »HC-9, ich gehöre ebenso zur GWA wie Sie, nur bin ich keine aktive Agentin. Das wird sich aber ändern.«
»Ach! Und wie geht’s weiter?«
»Werden Sie nicht ironisch. General Reling hat mich gestern mit einigen wichtigen Daten vertraut gemacht. Sie werden zum Mars fliegen, sobald hier die letzten Vorbereitungen abgeschlossen sind. Ich werde Sie begleiten, das ist alles.«
Meine Sympathien für sie erkalteten etwas. Ich fühlte, daß meine Augen unfreundlich und abweisend funkelten. Das hätte mir noch gefehlt!
»Zur Kenntnis genommen«, entgegnete ich knapp. »Aber lassen Sie sich gesagt sein, Doktor, daß ich nicht der Mann bin, der in Begleitung einer Frau in einen solchen Einsatz geht. Dafür fehlen Ihnen nach meiner Ansicht alle Voraussetzungen. Der Mars ist für uns Niemandsland. Ich lehne grundsätzlich ab, Doktor. Wo ist mein Schutzanzug?«
Sie deutete auf einen breiten Wandschrank. Ich suchte mir die passende Größe heraus, ließ die Magnetverschlüsse einschnappen und kontrollierte die separate Sauerstoffversorgung. Normale Atmungsfilter waren streng verboten.
Sie sah reglos und schweigend zu. Als ich zur Verbindungstür schritt, vernahm ich plötzlich ihre Stimme. Sie klang eindringlich, aber emotionslos.
»HC-9, sind Sie bereits darüber informiert, daß es der irdischen Wissenschaft mit
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