Vorsicht Niemandsland
beschwörend. »Vermutungen führen zu nichts. Wo ist der Chef? Ich bin von ihm persönlich angerufen worden.«
»Dort drinnen, Sir. Moment bitte. Ich muß Sie vorher anmelden. Tut mir leid. Sie müssen auch noch einen Schutzanzug anlegen.«
Wenn ein Mann die Nerven zu verlieren befürchtet, kann es geschehen, daß er seinen Gefühlen mit Flüchen und Verwünschungen Luft verschafft. Ich befand mich jetzt in dieser Stimmung.
Der Kollege grinste über meine verständliche Reaktion. Nach einem kurzen Anruf über Bildsprech öffnete er die nächste Tür.
Beim Betreten des Raumes bemerkte ich eine junge Frau. Sie mochte dreißig bis zweiunddreißig Jahre alt sein. Ihr grauweißer Schutzanzug bewies, daß auch sie die neuen Vorschriften befolgen mußte. Sie hatte nur den dünnwandigen Helm zurückgeklappt. Ihr hellblondes Haar wirkte zerzaust und war offenbar von Schweiß und Schmutz verklebt.
Mit einer hastigen Bewegung fuhr sie sich über die hohe Stirn.
»Hallo«, empfing sie mich mit einem Lächeln, das ihr etwas streng wirkendes Gesicht in seltsamer Weise verschönte. »Kommen Sie nur weiter herein, Major. Wir beißen nicht. Zigarette?«
»Danke, ich kann eine gebrauchen. Wenn ich mir die Maske verbrenne, hafte ich sogar für den Schaden. Darf ich mich setzen? Man nennt mich HC-9. Ich würde Ihnen gern mein Gesicht zeigen, aber Sie wissen ja …!«
Mein Schulterzucken beantwortete sie mit einem verständnisvollen Nicken. Ihr Lächeln vertiefte sich.
Eigenartig, wie sehr dieses herbe Gesicht dadurch gewann. Ich kam schon nach diesen wenigen Minuten unserer Bekanntschaft zu der Überzeugung, daß ich mich mit ihr gut verstehen würde. Augenblicklich schien sie jedoch im Dienst zu sein.
Sie musterte mich eingehend und offen. Schließlich sagte sie:
»Ich bin Ihr Empfangskomitee, wenn Sie so wollen. Wie ich sehe, sind Sie nicht in besonders guter Stimmung. Gefällt es Ihnen nicht bei uns?«
Meine Aufmerksamkeit erwachte schlagartig. Meine Gesprächspartnerin schien bestimmte Absichten zu haben. Ich sah sie forschend an.
Bei meinem Blick sagte sie, leise auflachend:
»Okay, vergessen Sie meine Frage. Damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben, werde ich mich höflicherweise erst einmal vorstellen. Ich heiße Neon, Dr. Tantaly Neon. Kommen Sie jetzt aber nicht auf die Idee, mich zu fragen, ob ich bei Berührung mit elektrischem Strom zu leuchten pflege. Ich tue es garantiert nicht. Außerdem ist die Redewendung schon derart abgedro schen, daß ich keine passende Antwort mehr finde. Meine lieben Kollegen haben den Begriff ›Neon‹ schon erschöpfend ausgebeutet.«
Endlich konnte ich wieder herzhaft lachen! Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, welche Wohltat mir diese intelligente Frau mit ihrer kurzen Erklärung erwiesen hatte. Ich fand sie sehr sympathisch.
»Fein, jetzt normalisiert sich Ihr Seelenzustand wieder«, erklärte sie gelassen. »Zu allem Überdruß hat man mir noch einen Vornamen gegeben, der in inniger Weise mit dem Metall ›Tantal‹ verwandt ist. Das ist auch Ihnen sicher aufgefallen. Mein Vater beschäftigte sich beruflich mit Metallegierungen. Wenn Sie also gütigst darauf verzichten wollten, mich Miß Edelgas oder Miß Ta-Ta zu nennen, so könnten wir uns auf die Bezeichnung Taly einigen. Okay?«
In ihren Augen schienen plötzlich tausend Teufelchen zu tanzen, so lustig funkelten sie. Ich fühlte mich schlagartig wohler. Vielleicht war das auch ihre Absicht gewesen.
»Wenn Sie wollen, ich bin einverstanden«, erklärte ich schmunzelnd. »Miß Edelgas ist übrigens gar nicht schlecht.«
»Amüsieren Sie sich nur auf meine Kosten, Major. Ich bin schon daran gewöhnt, daß sogar ältere
Weitere Kostenlose Bücher