Vorsicht Niemandsland
direkt an das »Gedächtnis«, das größte positronische Robotergehirn der Erde, weiter.
»Was halten Sie davon?« fragte der Chef unvermittelt. Sein Kopf innerhalb des Kugelhelmes drehte sich.
Es gab hier niemand, der nicht die Schutzkleidung getragen und über eine eigene Sauerstoffanlage geatmet hätte.
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort, Chef?«
Er lachte humorlos auf.
»Was dachten Sie? Also, was halten Sie von den Untersuchungsergebnissen?«
»Wissenschaftlich gesehen recht viel. Der Primaten-Test ist wichtig, noch bedeutsamer – meiner Ansicht nach – die veränderte Mitosestrahlung. Das ist eine Sache, die nur unsere Biophysiker, die Biotechniker und Metaphysiker lösen können. Wenn Sie mich in meiner Eigenschaft als GWA-Agent fragen, dann halte ich es für zwecklos, noch länger vor diesem Kunststoffkäfig zu stehen. Wir brauchen praktische Ergebnisse.«
»Woher soll ich die nehmen?« Relings ohnehin tiefe Stimme klang unter dem Helm noch dumpfer.
Nun, wenn der Alte solche Fragen stellte, hatte er einige Trümpfe in der Hinterhand.
»Wie ich Sie kenne, Chef, haben Sie seit dem 17. Oktober nicht geschlafen. Ich hätte gern einige Dinge über den Marseinsatz erfahren. Unser schnellstes Kernplasma-Schiff benötigt für die Reise fast drei Monate, auf dem kurzen, bahnschneidenden Kurs. Es wäre an der Zeit, Sir, daß ich zum Roten Planeten komme. Hier haben wir nur einen kranken Mann. Da oben dürfte genügend Material sein.«
Er drehte sich wortlos um. Über die Schulter hinweg sagte er:
»Sie melden sich in einer Stunde im Zentralesaal des Robotgehirns. Bis dahin ist die letzte Meldung ausgewertet. Anschließend findet Ihre Einsatzbesprechung statt. Sie fliegen in der kommenden Nacht zum Mond. Das wäre vorläufig alles. Wenn Sie etwas für Ihre Allgemeinbildung tun wollen, hören Sie sich die Referate der Professoren Negete Ngumolo und Thoman an. Noch besser: Sie unterhalten sich direkt mit den Herren. Stellen Sie sich als Major HC-9 vor. Das genügt. Sie erhalten jede Auskunft. Ach, übrigens …«, der Alte warf mir einen forschenden Blick zu, »Sie scheinen sich mit Dr. Tantaly Neon nicht besonders gut zu verstehen, wie?«
Ich schaute ihn stirnrunzelnd an.
»Schön, sagen Sie nichts«, wehrte er meine Entgegnung ab. »Wenn Sie wissen wollen, wie eine Löwin um ihr Junges kämpft, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an die junge Frau. Sie geht mit in den Einsatz, klar? Sagen Sie nur nicht, dann müßten Sie leider die Übernahme des Falles ablehnen.«
Ich dachte an meinen Eid als GWA-Agent. Ablehnen?
Reling deutete meinen tiefen Seufzer richtig. Dann stieß er ein »Na also« hervor und verließ mit schweren, schleppend wirkenden Schritten den Raum.
Hinter ihm vernahm ich ein dumpfes Auflachen. Es war die Stimme Dr. Neons, die durch den Helm entstellt wurde. Ihre Augen funkelten spöttisch. Im Moment hatte ich nicht den Eindruck, als verzehrte sie sich in tiefster Sorge um ihr Kind.
»Nun, Armer Mann, was habe ich Ihnen gesagt?«
»Wie haben Sie den Alten umgarnt?« erwiderte ich wütend. »Wie? Welche Zauberkräfte haben Sie eingesetzt? Er ist zwar ein eiserner Mann, hat aber einen weichen Kern.«
»Stimmt«, erklärte sie gelassen. Ihr Lächeln erschien mir sehr sphinxhaft. »Vielleicht besitze ich besondere Fähigkeiten, wer weiß.«
»Okay, was wissen Sie über den Fall? Mir scheint, als hätten Sie bereits mehr Informationen erhalten als ich.«
»Und das kränkt Sie, stimmt’s? Ich weiß nur, daß ich mit in den Einsatz gehen soll, nachdem ich es nach enormen Schwierigkeiten geschafft habe, bis zum allmächtigen Chef der GWA persönlich vorzudringen. Ich habe ihn überzeugen können, das ist alles.«
Den Alten
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