Vortex: Roman (German Edition)
wohl auch der Grund, warum uns Officer Bose zusammengebracht hat. Orrin ist also nie aggressiv geworden?«
»Er würde sich bei einem Streit die Ohren zuhalten und weglaufen. Er ist alles, nur nicht gewalttätig. Er tat sich immer schwer damit, wenn Mum mit einem Mann nach Hause kam. Er hat sich dann meistens versteckt. Besonders bei Meinungsverschiedenheiten oder anderen Problemen.«
»Tut mir leid, dass ich danach fragen muss – aber war Ihre Mutter jemals aggressiv gegen Orrin?«
»Manchmal hatte sie ihre Momente, drogenbedingt, besonders gegen Ende. Ein paarmal, aber nichts Ernstes.«
»Sie erwähnten, dass Orinn gerne Geschichten erzählt hat. Hat er sie jemals aufgeschrieben? Hat er ein Tagebuch geführt?«
Die Frage schien Ariel zu überraschen. »Nein, nichts dergleichen. Er kann sauber schreiben, aber er macht es ganz selten.«
»Hatte er eine Freundin in Raleigh?«
»Er ist schüchtern in Gegenwart von Frauen – also nein.«
»Hat ihn das gequält?«
Ariel zuckte mit den Achseln.
»Okay. Danke für Ihre Geduld, Ariel. Ich glaube nicht, dass Orrin vormundschaftlich verwahrt werden muss, und was Sie gesagt haben, scheint das zu bestätigen.« Obwohl es viele andere Fragen aufwirft, dachte Sandra.
»Sie können ihn also rausholen?«
»Erst müssen wir herausfinden, was genau heute Nachmittag passiert ist. Wie es zu dem Vorfall kam, der Dr. Congreve veranlasst hat, Orrin als gewalttätig einzustufen. Aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.« Sandra dachte kurz nach. »Noch eine letzte Frage. Aus welchem Grund hat Ihr Bruder Raleigh verlassen, und warum ist er ausgerechnet nach Houston gekommen?«
Ariel zögerte. Sie saß da, als hätte man ihr eine Spindel ins Rückgrat gedreht. »Er … er kann manchmal komisch sein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Naja, die meiste Zeit wirkt Orrin zu jung für sein Alter, das haben Sie sicher bemerkt. Aber hin und wieder befällt ihn etwas … und dann wirkt er überhaupt nicht mehr jung. Es ist, als ob ein Wind durch ihn hindurchbläst, ein Wind, der von weit, weit her kommt. So hat Mama es immer beschrieben, wenn Orrin so war.«
»Und hat das etwas damit zu tun, warum er ausgerechnet nach Houston gekommen ist?«
»Er war genauso komisch zu der Zeit. Schwer zu sagen, ob er unbedingt nach Texas wollte. Er hat nie etwas in der Richtung gesagt. Als ich bei der Arbeit war, hat er sich einfach die fünfhundert Dollar aus der Küchenschublade genommen, die ich für ein neues Auto gespart hatte. Dann hat er sich von Mrs. Bostick, unserer Nachbarin, zum Busbahnhof fahren lassen. Er hat nichts bei sich gehabt, sagte Mrs. Bostick, außer einen alten Notizblock und einen Kugelschreiber. Sie hat ihn gefragt, ob er am Bahnhof mit jemandem verabredet ist, und Orrin hat den Anschein erweckt, dass es so ist. Aber als sie fort war, muss er sich einen Fahrschein gekauft haben und in den Interstate-Bus gestiegen sein. Er war schon ein paar Tage lang so komisch, ganz still ist er gewesen und hat Löcher in die Luft gestarrt.« Ariel sah Sandra nachdenklich an. »Ich hoffe, das ändert nichts an Ihrer Meinung.«
Es macht die Sache komplizierter, dachte Sandra. Aber sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
Ariel Mather war an diesem Morgen früh in der Stadt angekommen. Bose hatte ihr erst ein Zimmer besorgt und dann mit ihr die State Care aufgesucht – vergebens, wie sich herausgestellt hatte. Ariel hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, ihren Koffer auszupacken. Sie war müde und sagte Bose, sie brauche jetzt ihren Schlaf. »Aber vielen Dank für das Essen und Ihre Hilfe.«
»Ich muss noch einige Dinge mit Sandra besprechen«, sagte Bose. Er bat den Kellner, ein Taxi zu bestellen. »Eine Frage noch, Ariel.«
»Ja?«
»Hat Orrin Sie kontaktiert, nachdem er in Houston angekommen war?«
»Ein Anruf, um mir zu sagen, dass es ihm gut geht. Ich war so wütend, dass ich über ihn hergefallen bin. Warum hast du? Wieso bist du? Und so weiter. Da hat er aufgelegt. Ich hätte mich ohrfeigen können. Schreien bringt nichts bei ihm. Eine Woche später bekam ich einen Brief. Er würde einer geregelten Arbeit nachgehen und ich soll ihm nicht mehr böse sein. Ich hätte ihm gerne zurückgeschrieben, aber ich hatte keine Adresse.«
»Hat er erwähnt, wo er hier in der Stadt gearbeitet hat?«
»Soweit ich mich erinnere, nein.«
»Kein Wort über ein Lagerhaus? Einen Mann namens Findley?«
»Nein. Ist das wichtig?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber danke, Ariel.«
Bose sagte noch,
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