Vorübergehend tot
Sam zu sehen gab.
„Wuff!“ sagte Sam, ein Hundelaut aus einer Menschenkehle, und mit Siebenmeilenstiefeln stürmte die Erkenntnis auf mich ein.
Ich drehte mich mit einem Ruck wieder zu ihm um, bereit, mich ihm zu stellen, so wütend, daß ich befürchten mußte, mir würde gleich eine Sicherung durchbrennen.
„Du hast mir letzte Nacht beim Ausziehen zugeguckt, du ... du ... verdammter Hund du!“
„Sookie“, flehte Sam beschwörend, „hör mir bitte zu!“
Aber das ging nicht, denn mir war gerade ein weiterer Gedanke durch den Kopf geschossen. „Oh Gott, Bill bringt dich um!“ Damit sank ich auf den Schemel, der neben der Badezimmertür stand, legte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf sinken. „Oh nein!“ stöhnte ich. „Nein, nein.“ Sam kniete vor mir. Das drahtige, rotgoldene Haar auf seinem Kopf setzte sich auf der Brust fort und zog sich dann in einer Linie bis zu ... ich schloß erneut die Augen.
„Sookie, ich hatte Angst um dich, als Arlene mir sagte, du würdest allein sein“, setzte Sam an.
„Hat sie dir denn nicht von Bubba erzählt?“
„Bubba?“
„Dieser Vampir, den Bill mir dagelassen hat, damit er auf mein Haus aufpaßt.“
„Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Sie sagte, er erinnere sie an einen Sänger.“
„Nun, der Vampir heißt Bubba. Falls es dich interessiert: Er läßt gern Tiere ausbluten, nur so zum Spaß.“
Voller Genugtuung konnte ich nun (durch meine Finger hindurch) sehen, wie Sam ganz blaß wurde.
„Na, dann kann ich ja wirklich von Glück sagen, daß du mich ins Haus gelassen hast“, sagte er nach einer langen Pause.
Das erinnerte mich natürlich wieder an die Verkleidung, in der er in der Nacht zuvor aufgetreten war, und ich fragte: „Was bist du, Sam?“
„Ich bin ein Gestaltwandler. Ich dachte, es sei an der Zeit, daß du das erfährst.“
„Mußte ich es denn unbedingt auf diese Art und Weise erfahren?“
Sam schien peinlich berührt. „Eigentlich hatte ich vor, aufzuwachen und mich davonzuschleichen, ehe du die Augen aufmachst. Ich habe verschlafen. Auf allen Vieren herumzulaufen ist ziemlich ermüdend.“
„Ich dachte, Menschen verwandeln sich nur in Wölfe.“
„Nein. Ich kann mich in alles verwandeln.“
Das interessierte mich brennend, weswegen ich die Hände fallen ließ und versuchte, mich auf Sams Gesicht zu konzentrieren. „Wie oft?“ fragte ich. „Kannst du es dir aussuchen?“
„Bei Vollmond muß ich mich wandeln“, erklärte Sam. „Zu jeder anderen Zeit kann ich die Veränderung per Willenskraft herbeiführen, aber das ist schwieriger und dauert länger. Ich verwandle mich immer in das letzte Tier, das ich vor der Verwandlung gesehen habe. Also habe ich bei mir daheim auf dem Couchtisch immer ein Hundebuch liegen. Ich habe es auf der Seite aufgeschlagen, die das Foto eines Collies zeigt. Collies sind groß, wirken aber nicht bedrohlich.“
„Also könntest du auch ein Vogel sein?“
„Ja, aber fliegen ist schwer. Ich habe Angst davor, zwischen Starkstromleitungen zu geraten und gebraten zu werden oder aber gegen eine Fensterscheibe zu fliegen.“
„Warum? Warum wolltest du, daß ich es weiß?“
„Weil es mir so vorkam, als würdest du ziemlich gut mit der Tatsache fertig werden, daß Bill ein Vampir ist. Es hatte sogar den Anschein, als würdest du sein Vampirsein genießen. Also dachte ich mir, ich probiere einfach mal aus, ob du auch mit meiner ... Beschaffenheit umgehen kannst.“
„Das, was du bist“, sagte ich ein wenig schroff, denn nun war ich im Kopf auf eine völlig andere Schiene geraten, „läßt sich aber nicht mit einer Viruserkrankung erklären. Ich meine: Du veränderst dich doch ganz und gar!“
Daraufhin sagte Sam gar nichts. Er sah mich nur unverwandt an, und seine Augen waren nun zwar blau, blickten aber noch genauso hellwach wie die des Collies, und auch ihnen schien so gut wie nichts zu entgehen.
„Ein Gestaltwandler zu sein ist ja nun eindeutig übernatürlich, und wenn dein Zustand übernatürlich ist, dann können andere Sachen es auch sein. Das heißt also“, fuhr ich ganz langsam fort, „daß Bill gar kein Virus hat. Was ein Vampir ist, das kann man nicht wirklich mit einer Allergie gegen Knoblauch oder Silber oder Sonnenlicht erklären
... das ist doch der reinste Schwachsinn, den die Vampire da verbreiten, man könnte es fast schon Propaganda nennen, und es geht darum
... es geht darum, daß man sie eher akzeptiert, wenn man denkt, sie leiden an einer Krankheit.
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