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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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aufnehmen, aber mir war mittlerweile nur zu bewußt, wie dünn mein Nylonnachthemd war und daß er selbst gar nichts am Leibe trug.
    „Du ziehst dir jetzt die Klamotten an“, befahl ich streng, „und zwar im Wohnzimmer!“ Damit scheuchte ich ihn aus dem Schlafzimmer und schloß die Tür hinter ihm. Ich dachte, wenn ich nun auch noch den Schlüssel im Schloß umdrehte, wäre das eine zu große Beleidigung, also ließ ich das lieber sein. Ich kleidete mich allerdings in Rekordzeit an: frische Unterwäsche sowie den Jeansrock und das gelbe Hemd, die ich auch am Vorabend getragen hatte. Ich legte Make-up auf, legte mir Ohrringe an und band mein Haar mit einem leuchtend gelben, dicken Gummiband zum Pferdeschwanz. Meine Laune hob sich um einiges, als ich nun in den Spiegel sah, aber dann verwandelte sich mein zufriedenes Lächeln in ein Stirnrunzeln, denn ich meinte, draußen einen Pick-up vorfahren zu hören.
    Ich schoß aus dem Schlafzimmer, als hätte eine Kanone mich abgefeuert, wobei ich aus ganzem Herzen hoffte, Sam habe sich bereits umgekleidet und hielte sich nun versteckt. Mein Chef hatte sogar noch mehr getan: Er hatte sich in einen Hund zurückverwandelt. Jasons Kleidungsstücke lagen auf dem Fußboden verteilt, und ich hob sie rasch auf, um sie in den Flurschrank zu stopfen.
    „Guter Hund!“ lobte ich begeistert und kraulte den Collie hinter den Ohren. Der reagierte, indem er seine kalte schwarze Nase unter meinen Rock schob. „Das kannst du sein lassen“, tadelte ich und warf einen Blick aus dem Fenster, das nach vorn hinausging. „Andy Bellefleur kommt“, teilte ich dem Hund mit.
    Draußen kletterte Andy aus seinem Dodge Ram, reckte sich lange und ausführlich und kam dann mit großen Schritten auf meine Vordertür zu. Ich öffnete, Dean an meiner Seite.
    Ich sah Andy fragend an. „So, wie du aussiehst, warst du die ganze Nacht auf, Andy“, begrüßte ich ihn. „Darf ich dir einen Kaffee kochen?“
    Der Hund neben mir trat unruhig von einer Pfote auf die andere.
    „Das wäre toll“, sagte Andy. „Darf ich hereinkommen?“
    „Klar“, sagte ich und trat beiseite. Dean knurrte.
    „Einen guten Wachhund hast du da. Komm ruhig, Junge.“ Andy hockte sich hin, um dem Hund, den ich noch nicht einmal im Geist Sam nennen konnte, die Hand hinzustrecken. Dean beschnüffelte Andys Hand, mochte sie aber nicht lecken. Statt dessen achtete er genau darauf, sich immer zwischen Andy und mir aufzuhalten.
    „Komm mit nach hinten in die Küche“, sagte ich, und Andy richtete sich wieder auf, um mir zu folgen. Im Handumdrehen hatte ich Kaffee gekocht und ein paar Scheiben Brot in den Toaster gesteckt. Zwar vergingen noch ein paar Minuten damit, Sahne, Zucker und Löffel zusammenzusuchen, aber dann führte kein Weg mehr daran vorbei: Ich mußte mich der Frage stellen, was Andy Bellefleur in meinem Haus wollte. Andys Gesicht war eingefallen, und der Mann sah zehn Jahre älter aus, als er meines Wissens nach war. Ein Höflichkeitsbesuch war das hier gewiß nicht.
    „Wo warst du letzte Nacht? Du hast nicht gearbeitet?“
    „Nein, habe ich nicht. Ich war hier - bis auf eine kurze Fahrt zum Merlottes.“
    „War Bill letzte Nacht irgendwann einmal hier?“
    „Nein, Bill ist in New Orleans. Er wohnt in diesem neuen Hotel nur für Vampire im French Quarter.“
    „Bist du sicher, daß er sich auch wirklich dort aufhält?“
    „Ja.“ Ich spürte, wie sich meine Züge anspannten. Jetzt kam die schlimme Nachricht.
    „Ich war die ganze Nacht wach“, setzte Andy an. „Ja.“
    „Ich komme gerade von einem weiteren Tatort.“
    „Ja.“ Ich lugte in Andys Kopf. „Amy?“ Ich starrte dem Kriminalbeamten direkt in die Augen, um ganz sicher zu gehen. „Amy, die in der Good Times Bar arbeitete?“ Der Name auf der Bewerbungsmappe ganz oben auf dem Stapel, den ich Sam noch genannt hatte? Ich sah den Hund neben mir an. Der lag auf dem Boden, die Schnauze zwischen den Pfoten, und sah genauso traurig und wie vor den Kopf geschlagen aus, wie ich mich fühlte. Er winselte jämmerlich.
    Andys braune Augen bohrten ein Loch in mein Gesicht. „Woher weißt du das?“
    „Laß den Scheiß, du weißt, daß ich Gedanken lesen kann. Wie schrecklich! Die arme Amy. War es wie bei den anderen?“
    „Ja“, erwiderte Andy, „wie bei den anderen. Nur die Bißspuren waren frischer.“
    Ich dachte an die Nacht, in der Bill und ich auf Erics Ruf hin nach Shreveport hatten fahren müssen. Hatte Amy in dieser Nacht Bill Blut gegeben? Mir

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