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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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gelang es noch nicht einmal nachzurechnen, wie viele Nächte das nun her war. Die fremdartigen und schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen schienen mein Zeitgefühl völlig durcheinandergebracht zu haben.
    Hilflos sank ich auf einen der hölzernen Küchenstühle und schüttelte ein paar Minuten schweigend und geistesabwesend den Kopf, völlig perplex über die Wendung, die mein Leben genommen hatte.
    In Amy Burleys Leben würde es keine Wendungen und Überraschungen mehr geben. Ich schüttelte die merkwürdige Lethargie ab, die mich überkommen hatte, stand auf und schenkte den Kaffee ein.
    „Bill war seit der Nacht vor der gestrigen nicht mehr hier.“
    „Du warst die ganze Nacht über hier?“
    „Ja. Mein Hund kann es bestätigen.“ Mit diesen Worten lächelte ich auf meinen Hund hinunter, der winselte, als er sich nun von mir beachtet wußte. Er kam zu mir, legte mir seinen wolligen Kopf auf die Knie und ließ sich hinter den Ohren kraulen, während ich meinen Kaffee trank.
    „Hast du etwas von deinem Bruder gehört?“ wollte Andy als nächstes wissen.
    „Nein, aber gestern abend erhielt ich einen merkwürdigen Telefonanruf: Jemand behauptete, Jason sei im Merlottes.“ Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, als mir auch schon klar wurde, daß der Anruf nur von Sam gekommen sein konnte. Er hatte mich in das Lokal gelockt, um sicherzustellen, daß er mich würde nach Hause begleiten können. Dean gähnte, ein riesiges Gähnen, bei dem sein Kiefer leicht knackte und bei dem man jeden einzelnen seiner scharfen, weißen Zähne sehen konnte.
    Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten.
    Aber nun mußte ich Andy die ganze Sache erklären. Der Detective hing halb wach auf meinem Küchenstuhl, sein kariertes Hemd zerknittert und mit Kaffeeflecken verunziert, seine Jeans durch das lange Tragen völlig aus der Form. Er sehnte sich nach seinem Bett, wie ein Pferd sich nach dem eigenen Stall sehnt.
    „Du mußt dich ein wenig ausruhen“, sagte ich sanft. Irgend etwas war traurig an Andy Bellefleur, irgendwie wirkte der Mann erschüttert.
    „Es sind die Morde“, erklärte er, und seine Stimme klang vor lauter Erschöpfung ganz zittrig. „Diese armen, armen Frauen - und sie waren sich in so vielen Dingen ähnlich.“
    „Ungelernte Arbeitskräfte mit geringer Bildung, die in Kneipen arbeiteten? Die nichts dagegen hatten, es von Zeit zu Zeit mit einem Vampir zu treiben?“
    Der Detective nickte, und die Augen fielen ihm zu.
    „Mit anderen Worten: Frauen wie ich.“
    Schlagartig riß Andy die Augen wieder auf. Er war erschüttert über seinen Fehler. „Sookie ...“
    „Ich verstehe schon, Andy“, sagte ich. „In manchen Aspekten sind wir ja wirklich alle gleich, und wenn du davon ausgehst, daß der Angriff auf meine Großmutter eigentlich mir gegolten hat, dann muß ich wohl annehmen, daß ich die einzige Überlebende bin.“
    Ich fragte mich, wer sonst noch übrig sein mochte, wen der Mörder noch umbringen konnte. War ich wirklich die einzige, die noch am Leben war und seinen Kriterien gerecht wurde? Das war der schreckenerregendste Gedanke, der mir an diesem Tag bislang in den Kopf gekommen war.
    Inzwischen war Andy mehr oder weniger über seiner Kaffeetasse eingeschlafen.
    „Warum legst du dich nicht im Gästezimmer hin?“ schlug ich ihm leise vor. „Du mußt wirklich ein wenig schlafen. Ich glaube nicht, daß du in diesem Zustand noch Auto fahren solltest.“
    „Das ist sehr nett von dir“, sagte Andy mit schleppender Stimme, wobei er sich noch dazu ein wenig überrascht anhörte, als gehöre Nettigkeit nicht zu den Dingen, die er von mir erwartete. „Aber ich muß nach Hause, ich muß meinen Wecker stellen können. Ich darf allerhöchstens drei Stunden schlafen.“
    „Ich verspreche dir, dich zu wecken“, versicherte ich. Dabei wollte ich Andy eigentlich gar nicht in meinem Haus schlafen lassen, ich wollte nur nicht, daß er auf dem Heimweg einen Autounfall baute. Das würde die alte Mrs. Bellefleur mir nie verzeihen und Portia höchstwahrscheinlich auch nicht. „Du legst dich jetzt schön hier in diesem Zimmer ins Bett“, sagte ich und führte ihn zu meinem früheren Schlafzimmer, in dem mein altes Einzelbett frisch bezogen und ordentlich gemacht stand. „Leg dich einfach oben auf die Bettdecke, und ich stelle inzwischen den Wecker.“ Genau das tat ich, während Andy mir dabei zusah. „Jetzt versuchst du ein wenig zu schlafen. Ich muß etwas erledigen, aber dann komme ich gleich

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