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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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vielsagende Blicke in meine Richtung zu werfen.
    An diesem Abend sollte Mr. Sterling Norris die Gäste willkommen heißen, der Bürgermeister von Bon Temps und ein guter Freund meiner Großmutter. Er stand auch bereits an der Tür, um jeden mit einem Handschlag und ein paar freundlichen Worten in Empfang zu nehmen.
    „Sookie, Sie werden von Tag zu Tag hübscher“, begrüßte er mich.
    „Sam! Sie habe ich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!“
    „Sookie - stimmt es, daß dieser Vampir ein Freund von Ihnen ist?“
    „Ja, Sir.“
    „Ihrer Meinung nach wird heute abend hier niemandem etwas geschehen?“
    „Ja, da bin ich mir ganz sicher. Es wird niemandem etwas geschehen. Er ist... ein sehr netter Kerl.“ Ein nettes Wesen? Eine nette Wesenheit? Er ist soweit in Ordnung, falls man Untote mag?
    „Wenn Sie es sagen ... “, meinte Mr. Norris, und klang nicht überzeugt. „Zu meiner Zeit gehörte so etwas ja in den Bereich der Märchen.“
    „Mr. Norris! Als sei Ihre Zeit schon vorbei!“ schalt ich mit dem fröhlichen Lächeln, das von mir erwartet wurde, woraufhin der Bürgermeister lachte und uns mit einer Handbewegung bat, einzutreten, denn genau das wurde von ihm erwartet. Sam ergriff meine Hand und steuerte mich, anders läßt sich das nicht sagen, auf die vorletzte Reihe der Metallstühle zu, und als wir uns setzten, winkte ich meiner Großmutter zu. Die Veranstaltung sollte gleich anfangen. Es befanden sich etwa vierzig Menschen im Raum, für Bon Temps eine Menge. Wer nicht da war, war Bill.
    Statt seiner betrat die Vorsitzende der Nachkommen, eine große, mehr als stattliche Frau namens Maxine Fortenberry das Podium.
    „Guten Abend! Guten Abend!“ verkündete sie strahlend und laut. „Gerade hat unser Ehrengast angerufen, um uns mitzuteilen, daß er Probleme mit seinem Wagen hat und sich einige Minuten verspäten wird. Wir erledigen also am besten erst einmal den geschäftlichen Teil der Vereinssitzung und warten auf sein Eintreffen.“
    Die Gruppe der Vereinsmitglieder vertiefte sich in die Details, die zu einer regulären Vereinssitzung gehören, und wir anderen mußten uns allerhand langweiliges Zeug anhören. Sam saß mit verschränkten Armen neben mir und hatte den Knöchel des rechten Beins auf das linke Knie gelegt. Ich gab mir ganz große Mühe, niemandes Gedanken in meinen Kopf eindringen zu lassen, und sackte infolgedessen leicht in mich zusammen, als Sam sich zu mir herüberbeugte, um mir zuzuflüstern: „Entspann dich.“
    „Ich dachte, ich sei entspannt!“ gab ich ebenfalls flüsternd zurück.
    „Ich glaube, du weißt gar nicht, wie das geht.“
    Ich starrte ihn mit hochgezogenen Brauen an. Nach der Veranstaltung würde ich ein paar Takte mit Mr. Merlotte reden müssen.
    Da kam auch schon Bill und mit ihm ein Augenblick vollkommener Stille. Alle, die ihn vorher noch nie gesehen hatten, mußten sich erst einmal an seinen Anblick gewöhnen. Wer noch nie mit einem Vampir zusammen im selben Raum gewesen ist, muß sich wirklich erst einmal auf dessen Andersartigkeit einstellen. Im Neonlicht des Bürgerhauses wirkte Bill viel weniger menschlich als im Dämmerlicht bei Merlottes oder im mindestens ebenso schummrigen Licht seines eigenen Hauses. Hier hätte man ihn keinesfalls für einen gewöhnlichen Menschen halten können, wobei natürlich als erstes seine Leichenblässe hervorstach. Aber auch seine Augen, diese tiefen Seen, wirkten viel blauer und kälter als sonst. Bill trug einen hellblauen Sommeranzug, wobei ich hätte wetten können, daß Oma ihm zu dieser Wahl geraten hatte. Er sah phantastisch aus. Die klaren Bögen seiner Brauen, die kühn geschwungene Nase, die feingeschnittenen Lippen, die weißen Hände mit den langen Fingern und sorgfältig gestutzten Nägeln ... er wechselte gerade ein paar Worte mit der Vorsitzenden, die angesichts des Lächelns, das charmant seine geschlossenen Lippen umspielte, scheinbar am liebsten aus dem Hüfthalter gesprungen wäre.
    Ich hätte nicht sagen können, ob Bill die gesamte Zuhörerschaft bezirzt hatte oder ob alle Anwesenden von vornherein bereit gewesen waren, ihm aufmerksam zuzuhören. Jedenfalls senkte sich jetzt erwartungsvolles Schweigen über den Saal.
    Nun hatte Bill auch mich entdeckt, und ich hätte schwören können, daß seine Augenbrauen leicht zuckten. Er begrüßte mich mit einer knappen Verbeugung, die ich mit einem Nicken erwiderte, ohne ihm jedoch ein Lächeln zu schenken. Ich konnte nicht. Inmitten all dieser Menschen stand

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