Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
Füchsin barsch zurück. Kralle blieb stehen und wandte sich den beiden zu. Die Augen der Alten glänzten dunkel.
»Deine Seele ist verflucht. Ich will dich nicht in der Nähe meines Babys haben. Geh nach hinten. Laß anständige Leute in Frieden.«
Blitzschnell packte Tanzende Füchsin Maus am Hals und drückte ihr mit den von der schweren Arbeit gestählten Händen die Luftröhre zu. Die Frau krächzte und zappelte. Tanzende Füchsin zog sie ganz nah zu sich heran und starrte ihr in die Augen.
»Der Mann, der mich verfluchte, ist ein falscher Träumer. Er ist machtlos und sein Fluch ohne jede Bedeutung.« Sie drückte noch fester zu. Maus japste fürchterlich, ihr Gesicht lief dunkelrot an.
»Kapiert?«
Sie verpaßte Maus einen derben Stoß, so daß diese zurücktaumelte. Das Kind wachte auf und brach in lautes Gebrüll aus.
Maus massierte sich die Kehle. Aus großen Augen starrte sie Tanzende Füchsin an. »Du … du bist verrückt«, keuchte sie.
Tanzende Füchsin lächelte böse. »Vergiß das nicht. Du siehst, ich weiß mich zu wehren.« Gelassen ging sie weiter. Sie sah, wie Singender Wolf eilends zu Maus lief, um nach der Ursache für diesen Zwischenfall zu fragen.
Tanzende Füchsin hatte fortan keinen Arger mehr mit Maus. Die anderen Frauen in ihrer Nähe hielten stets die Augen gesenkt. Respekt? Angst? Nur Kralle sah sie offen an und signalisierte schweigende Übereinstimmung. Von diesem Tag an ging Tanzende Füchsin betont aufrecht und trug ihre Waffen mit sichtlichem Stolz.
Wolfsträumer ließ sich im heißen Wasser des Teiches treiben. Reihers angenehmer Singsang belebte und beruhigte ihn zugleich. Die kräuselnden Wellen streichelten seine nackte Haut.
»Verliere dich selbst in diesem Lied«, lehrte ihn Reiher. »Befreie dich. Bewege dich mit den Klängen.
Träume die Welt weit weg. Sie existiert nicht. Nichts existiert außer dem Tanz.«
»Der Tanz«, wiederholte er gehorsam.
Er lehnte sich weit ins Wasser zurück. Das Vogelgezwitscher verschwamm, das leise Summen fließenden Wassers erfüllte ihn. Wie aus weiter Ferne hörte er Reihers Singsang, rhythmisch, betörend, eine Aneinanderreihung sinnloser Worte. Weil die Worte keinen Sinn ergaben, konnte er sich völlig auf die nebelhaften Klänge konzentrieren. Er versetzte sich selbst in den Rhythmus des Tanzes.
Blinzelnd erwachte er. Im ersten Moment wußte er nicht, wo er sich befand. Die Welt hatte ihren Mittelpunkt verloren. Er saß in Reihers Höhle. Nach und nach erkannte er die vertrauten Formen und Gerüche. Die Schädel aus den Ecken starrten ihn blicklos an. Die Bildnisse und farbigen Kritzeleien auf den Wänden schienen unter der dünnen Rußschicht ein Eigenleben zu führen. Der beißende Geruch des Geysirs stach ihm in die Nase.
»Nicht nicht im Teich?« Er sah sich um, und sein Blick fiel auf Gebrochener Zweig, die in der hintersten Ecke herumkramte und vor sich hin brabbelte.
»Nicht im Teich«, antwortete Reiher. »Sieh dir deine Hand an.«
Er gehorchte und stöhnte auf. Inmitten seiner Handfläche leuchtete eine große rote Blase. Die Haut war schwer verbrannt.
Während er auf seine Hand starrte, trieb ihm der Schmerz Tränen in die Augen. Er schrie auf.
Ungerührt hielt Reiher sein Handgelenk umklammert. Sie rieb zerlassenes Fett mit einer Kräutermischung auf die häßliche Wunde und legte einen Verband an.
»Du fragst dich, wie das passiert ist? Ich habe dir eine Kohle in die Hand gelegt, Wolfsträumer. Du hast nicht gemerkt, daß sie dich verbrannte. Weißt du, was das bedeutet?«
Trotz des Schmerzes nickte er erfreut. »Ich fand den Tanz.« »Genau.«
»Aber die Kohle verbrannte mich.«
»Ja, weil sich nur dein Verstand auf eine andere Ebene verlagert hat. Du hast nicht mit dem Feuer getanzt.«
»Warum hast du mir dann die Kohle in die Hand gelegt?« fragte er ein wenig verstimmt, denn die Hand begann heftig zu pochen. Der Schmerz wurde langsam unerträglich.
Ihr Mund verzog sich zu einem unverschämten Grinsen. »Ich wollte wissen, wo du dich befandest.«
»Warum hast du nicht gewartet und mich später gefragt?« »Das ist nicht dasselbe.«
Mißmutig sah er sie an.
»Bis jetzt bist du noch nicht weit vorangekommen.«
Er hob die Hand mit der schmerzhaften Verbrennung. »Das merke ich.«
Sie zögerte. Im roten Feuerschein sah ihr Gesicht ungewohnt sanft aus. »Du mußt mit allem, was dich umgibt, tanzen nicht nur mit dir selbst. Erst dann erreichst du im Tanz die Ebene des großen, einzigen
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