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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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aufstehen. Sie kämpfte mit den Decken, setzte sich auf und rekelte sich.
    Seit zwei Tagen saßen sie tatenlos herum. Das Volk kauerte sich unter den Decken zusammen. Der Hunger machte die Menschen teilnahmslos. Niemand hatte mehr die Kraft, weiterzugehen.
    Unsere letzte Ruhestätte, dachte sie.
    Sie warf einen Blick hinüber zum Lager von Der im Licht läuft.
    Er war noch immer nicht zurück. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, kletterte sie über die Schlafenden zum Höhleneingang. Sie quetschte sich hinaus und blickte über das Land. Am Himmel funkelte das Volk der Sterne. Im Südosten graute bereits die Dämmerung. Mondfraus halbes Gesicht sah hinter den nur als Silhouette sichtbaren Gipfeln hervor, an deren steilen Flanken massige Gletscher herabkrochen und majestätische, in der klaren Luft blau schimmernde Gebilde formten. Einen winzigen Augenblick hielt Windfrau den rastlosen Atem an. Im Osten öffnete sich ein breites Tal, das sich bis zu einem felsigen Hochland weit hinten erstreckte. Selbst im schwachen Dämmerlicht konnte Grünes Wasser die sich übereinander türmenden Schichten der Gletscher erkennen.
    Schaudernd wandte sie sich um. Da entdeckte sie ihn.
    Zusammengekauert hockte er im Schnee, den Kopf in einer unnatürlichen Haltung abgewinkelt.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Grünes Wasser eilte zu ihm und rüttelte an seiner Schulter. Er rührte sich nicht. Tränen stiegen ihr in die Augen. Verzweifelt schüttelte sie ihn. »Wach auf! Der im Licht läuft!«
    Entsetzt starrte sie auf die dicke Eisschicht auf seiner Kapuze. Bei normaler Atmung hätte das Eis nicht eine derartige Stärke annehmen können. Ein Teil wäre geschmolzen.
    »Nein«, flüsterte sie. Sie hatte das Gefühl, in einen gähnenden Abgrund zu blicken.
    Sie ließ sich auf die Fersen nieder, stopfte Schnee in einen Fäustling und klatschte ihm die kalte Masse mitten ins starre Gesicht.
    »Wolfsträumer? Wach auf!«
    Die kauernde Gestalt rührte sich nicht.
    Aufgebracht warf sie ihm wieder und wieder Schnee ins Gesicht und kreischte: »Du stirbst nicht! Du überläßt uns nicht dem Hungertod ! Du hast uns hierhergeführt!«
    Immer noch regte er sich nicht.
    »Nein, nein«, jammerte sie und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Müde.«
    Die leisen Worte brachten sie zur Besinnung. Keuchend fiel Grünes Wasser neben ihm auf die Knie und wischte ihm den Schnee von den Wangen. »Was?«
    »Müde.«
    »Steh auf!« Sie hämmerte mit den Fäusten auf ihn ein. »Steh sofort auf!«
    Wie eine Wahnsinnige packte sie ihn am Arm und zerrte ihn auf die Beine. Unter seinem Gewicht taumelte sie, aber sie zwang sich, weiterzugehen. Inständig hoffte sie, sein Körper besäße noch genug Wärme, um ihn am Leben zu erhalten.
    »Du verfluchter Narr! Bist du draußen geblieben, weil du dich nicht getraut hast, uns unter die Augen zu kommen? Du hättest sterben können! Was wäre dann aus uns geworden?«
    »Essen«, murmelte er. »Etwas zu essen gefunden. Müde geworden. Mußte … mußte ausruhen.«
    Wie vom Blitz getroffen blieb Grünes Wasser stehen. Sie sah ihn an, als fürchte sie, sich verhört zu haben. »Essen?«
    Der im Licht läuft nickte schwach. Mit dem Kinn machte er eine kleine Bewegung. »Dort, hinter den Felsen. Aber es war so schwer. Ich konnte es nicht allein tragen.«
    »Lauf, damit dir warm wird«, befahl Grünes Wasser und führte ihn zum Höhleneingang. Behutsam half sie ihm hinein.
    Die Spuren seiner schlurfenden Schritte waren im Schnee deutlich sichtbar. Angestrengt stapfte sie hinauf auf den Grat. Windfraus Wut hatte an einer Stelle den Schnee vollständig weggeweht. Und da, verkeilt in einem Felsen, lag ein Klumpen aus verfilztem Fell. Grünes Wasser kannte das dicke Haarkleid und die schweren Hufe: ein Moschusochse. Das bessere Stück der Hinterseite. Nicht gerade ein Festmahl für so viele ausgehungerte Menschen, aber vielleicht genug, damit sie endlich von diesem Felsen herunterkamen und weiterziehen konnten.
    Die Wölfe hatten sich an dem Kadaver schon gütlich getan. Ihre Fänge hatten klaffende Wunden hinterlassen. Vielleicht hatten sie das Aas verdorben, aber im Winter und kurz vor dem Verhungern kümmerte das niemand.
    Sie holte ein langstieliges Schneidewerkzeug aus ihrem Beutel. Mit zitternden Händen meißelte sie ein Stück nach dem anderen aus dem gefrorenen Fleisch.

KAPITEL 12
    Erfüllt von frischer Kraft mühten sich Der der schreit, Singender Wolf und Hüpfender Hase damit ab, das Fleisch des Moschusochsen auf

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