Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
lachte leise. Vor Befriedigung fast platzend, warf er sich in die Brust. »Ich bin der neue Weg. Niemand wird den Stamm der Gebrochenen Steine aufhalten. Die Macht wispert in meinem Kopf. Schon bald wird das ganze Sonnenvolk meinen Namen rühmen.«
Sie bedachte ihn mit einem sinnlichen Blick. »So langsam glaube ich dir.«
Vor einem Feuerloch blieb Tapferer Mann stehen. Auf den grauen Kohlen lag ein Braten; während des Kampfes war das Fleisch an der Unterseite angebrannt, aber oben brodelten die Fleischsäfte.
Genießerisch sog er den appetitlichen Duft von Wapitifleisch ein. »Ich möchte ein wenig davon.«
Bleicher Rabe griff in ihre Gürteltasche und holte ein Hornsteinmesser mit Griff heraus. Geschickt schnitt sie eine lange Scheibe von der Oberseite ab und reichte sie ihm. Er blies auf das heiße Fleisch, um es abzukühlen, und biß herzhaft hinein. Der warme Fleischsaft verströmte sich wohlschmeckend in seinem Mund.
Er kaute sorgfältig und sah sich dabei prüfend um. Einige der jüngeren Krieger bewachten aufmerksam den Waldrand im Umkreis des Lagers, damit nicht einer der entflohenen feindlichen Krieger unbemerkt einen Haken schlagen und zurückkommen konnte.
Auf einem freien Platz inmitten des Lagers stand ein einzelnes Zelt das größte des Lagers. Die Zeltwände waren mit bunten Zeichnungen von Sonne, Wolf und Feuer, Mond und Sternen geschmückt; einige große Spiralen waren mit roter Farbe auf die Türklappe gemalt. Tapferer Mann humpelte hinüber und blieb vor dem Zelt stehen. Dort lag ein grauhaariger alter Mann auf dem Rücken, Arme und Beine lang ausgestreckt. Ein Speer hatte seinen Körper durchbohrt. Die trüben Augen starrten blicklos zum Himmel. Etwas im Gesichtsausdruck des alten Mannes als habe den Schamanen im Sterben der Hauch eines entsetzlichen Alptraums berührt ließ Tapferer Manns Seele erschauern.
Energisch schüttelte er das unangenehme Gefühl ab und besah sich den Mann näher. Das Wolfsvolk hatte gut für seinen Schamanen gesorgt. Seine Kleidung war aus den herrlichsten Wapitihäuten gearbeitet und von kundiger Hand genäht worden. Auf der Brust, auf der Passe und den Ärmeln des Hemdes waren unterschiedlich gefärbte Stacheln von Stachelschweinen aufgenäht. Unter dem Körper des alten Mannes lag ein Wolfsfell; der weiche schwarze Pelz hatte sich mit Blut vollgesogen, das inzwischen geronnen war und trocknete.
Tapferer Mann wandte sich dem Zelt zu. Als er sich durch den niedrigen Eingang duckte, mußte er vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen. Verschiedene Beutel, Fetische und befiederte Bündel hingen an den Zeltstangen. Die am schönsten gegerbten Häute hatten dem alten Mann als Bett gedient.
Am Ehrenplatz an der Rückwand des Zeltes stand ein Dreifuß aus entrindeten Weidenstöcken, auf dem ein großes, in ein Wolfsfell gehülltes Bündel lag. Neben dem Dreifuß entdeckte er einen wunderschönen Rohlederbeutel zweifellos der Tragesack für das Bündel. Tapferer Mann trat näher und betrachtete das Bündel aufmerksam. Als er die Hand danach ausstreckte, zuckte ein stechender Schmerz durch sein Bein.
Ja, wisperten die Stimmen in seinem Kopf. Die Macht. Das ist die Macht des Wolfsvolkes.
In dem Moment, in dem Tapferer Manns Finger das Wolfsfell berührten, schoß ein brennender Strom durch seine Muskeln. Seine Hand zuckte zurück, als hätte sie eine Schlange berührt. Doch er riß sich zusammen und hob das merkwürdige Ding von dem Dreifuß. Mit zitternden Händen wickelte er das Wolfsfell auf. Etwas Hartes fiel aus der Hülle auf die Pelze zu seinen Füßen.
Stöhnend bückte sich Tapferer Mann und hob ein in Stein gemeißeltes Bildnis auf. Er drehte es in den Händen: Es handelte sich um das in einen schwarzen Stein gemeißelte Abbild eines Wolfes. Der Stein war poliert und glänzte im dämmrigen Licht des Zeltes.
Wunderschön! Und jetzt gehört er mir, ebenso wie die Macht. Er ließ den Steinwolf in seinen Beutel fallen.
Mit heftig klopfendem Herzen wickelte Tapferer Mann das schwarze Wolfsfell weiter aus. Er wog das Bündel in den Händen und begutachtete es voller Interesse. Die Lederhülle schien sehr alt zu sein und war in der Form eines Herzens genäht. Die obere Hälfte war weiß bemalt und stellte das Herzfett dar, der untere Teil leuchtete in einem blutigen Rot, durchzogen von dunkleren Adern. Die Hülle war straff gespannt, als wäre das Bündel fest ausgestopft.
Womit?
Tapferer Mann drückte es prüfend zusammen … und zuckte zurück. Ein
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