Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

du dich entscheidest. Selbst wenn du in einer Höhle im Land des Antilopenvolkes leben möchtest, gehe ich mit dir. Du brauchst nichts zu tun, nur um mir zu Gefallen zu sein. Sei, wer du bist… wer du sein willst.«
    »Warum bist du so gut zu mir?«
    Achselzuckend blickte er zu den Sternen hinauf. »Es ist etwas vollkommen Unerwartetes geschehen.
    Ich liebe dich, Weiße Esche. Das macht mir angst… genauer gesagt, es ängstigt mich zu Tode. Ich fürchte, ich richte wieder ein gewaltiges Durcheinander an. Wenn sich Kranker Bauch schon in eine Frau verliebt, dann natürlich nur in eine wunderschöne und mächtige Träumerin, die wahrscheinlich zwischen ihren Fingern einen Blitz hochschleudern und das Wetter herbeisingen und die Wapitis rufen kann. O nein, Kranker Bauch verliebt sich niemals in eine einfache Frau, die nichts lieber mag, als in der Hütte zu sitzen, Mahlzeiten zuzubereiten und die Kinder großzuziehen. Wenn Kranker Bauch liebt, dann nur eine Frau, die außerhalb seiner Reichweite liegt. Kranker Bauch läßt sich stets auf das Unmögliche ein.«
    »Warum bin ich unerreichbar für dich?«
    »Weil die Macht dich ruft. Weil du und ich niemals wie normale Menschen leben können.« Er senkte den Kopf. »Wegen all der Dinge, die hinter uns liegen den Narben, die wir davongetragen haben. Wir sind, wer wir sind. Ich werde nie ein tapferer Held, niemals einer schönen und mächtigen Frau würdig sein.«
    Sie umarmte ihn und schloß die Augen. »Für mich bist du tapfer genug, Kranker Bauch. Sprich nicht so, als wäre ich etwas Besonderes. Das bin ich nicht. Ich bin nur verwirrt. Ich fühle mich wie eine vom Wind verwehte Feder. Du bist der einzige Halt in meinem Leben.« »Was ist mit dem Mann, von dem du mir erzählst hast?« Am Horizont erschien ein Stern. Ob er sich mit einer der Steinreihen überschneiden würde? Geistesabwesend beobachtete sie den Weg des Sterns und dachte an Windläufer. Was, wenn er den Zweikampf überlebt hatte} Was, wenn er vor dem ersten Schnee zu ihr kam?
    »Windläufer? Er ist jung, sieht gut aus und ist ein listiger Krieger. Er hat mich einmal vor Tapferer Mann gerettet, als der mich vergewaltigen wollte.« Ihr Griff um Kranker Bauchs Finger wurde fester.
    »Falls Windläufer überlebt hat, hat er sich dem Schwarzspitzen-Stamm angeschlossen. Er war der Sohn des Bruders meines Vaters. In der Tradition des Sonnenvolkes wäre eine Heirat zwischen uns Blutschande gewesen obwohl ich nicht vom Blut des Weißlehm-Stammes bin. Schließt er sich dagegen dem Schwarzspitzen-Stamm an und besiegt im Zweikampf ihren besten Krieger, kann er seinen Stamm und seine Familie für tot erklären und mich, ohne in Schande zu geraten, heiraten.«
    Wehmütige Traurigkeit schimmerte in Kranker Bauchs Augen. »Er muß dich sehr lieben, wenn er ein solches Risiko eingeht.«
    Sie blinzelte. ,Ja. Ich … ich sagte ihm, ich liebe ihn und würde ihn heiraten. Er versprach, mich vor dem ersten Schnee zu holen. Aber nachdem Drei Bullen… ich weiß nicht, was ich tun soll. So viel ist geschehen, seit ich mich von Windläufer verabschiedet habe. Vielleicht hat das Wolfsvolk ihn umgebracht, bevor sie das Lager überfallen haben. Oder er starb beim Kampf gegen den Schwarzspitzen-Krieger.« »Er hat überlebt«, sagte Kranker Bauch entschieden. Sie legte den Kopf schief. »Was macht dich so sicher? Alles, was ich geliebt habe, wurde mir genommen.«
    Er lachte freudlos. »Er lebt. Und er wird kommen. Ich fühle es. Nenne es eine Ahnung. Nenne es eine Prophezeiung. Ich glaube, mein Gefühl täuscht mich nicht. Du wirst Windläufer wiedersehen.«
    Ihr Herz machte einen Sprung, doch die plötzlich aufkeimende Hoffnung vermischte sich mit Entsetzen bei der Erinnerung an Drei Bullen. »Nein, das kann ich nicht. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, von ihm berührt zu werden. Ich hoffe, Windläufer findet eine Frau beim Schwarzspitzen-Stamm, die ihm kräftige Söhne und gesunde Töchter gebärt. Vielleicht läßt ihn die Macht nach alledem ein glückliches Leben führen. Hätte ich einen Wunsch frei, wünschte ich mir, er würde vergessen, daß es mich je gegeben hat.«
    Zärtlich fuhr Kranker Bauch mit dem Daumen über ihren Handrücken. »Warum willst du, daß dich der Mann, der dich liebt, vergißt? Liebe ist etwas Wunderbares. Es gibt sie viel zu selten.«
    Sie knurrte: »Liebe ist ein Fluch … eine Illusion.«
    »Du bist für mich keine Illusion. Und ich liebe dich.«
    In ihrer Phantasie sah sie Windläufer kommen und