Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss
Kinder natürlich ausgenommen. Von ihnen wußte ich ja nichts. Mal sehen, ob ich deine Beeren finde. Wenn ich mich recht erinnere, dann sind sie …« Er griff nach einem Korb, wühlte darin herum und förderte etliche getrocknete schwarze Beeren zutage. »Große Maus! Ich hoffe, ich habe keine dieser Beeren in meinen Tee getan.«
»Wanderer«, seufzte Flechte, »wir sprachen über meinen Traum. Wir waren bei der Sonnenkammer.«
Er starrte sie an, als habe er nicht die leiseste Ahnung, wovon sie redete. »Tatsächlich?«
Ja.
»Nun, und was habe ich gesagt? - Oh, warte! Jetzt erinnere ich mich.« Er warf den Korb zu Boden, ohne im geringsten davon Notiz zu nehmen, daß ungefähr zwanzig Beeren auf die festgetretene Erde kollerten. »Ja, stimmt, wir sprachen von Tharon. Sein Wahnsinn begann, als Nachtschatten …« Er blickte so entrückt, als sähe er weit in die Vergangenheit zurück. Seine Stimme nahm einen freundlicheren Tonfall an. »Ja, Nachtschatten.«
»Wer?«
Wanderer machte eine so behutsame Geste, als wolle er Spinngewebe beiseite schieben, ohne es zu zerreißen. »Vor ungefähr zwanzig Zyklen hatte der alte Murmeltier, der große Priester, einen Traum.
Damals hatte sich Mutter Erde gegen die Leute von Cahokia gewandt, und der Mais wuchs nicht mehr.
Der Priester träumte, sein Volk müsse nach Süden und Westen in das verbotene Land der Palasterbauer gehen und dort ein kleines Mädchen und ein Machtbündel rauben. Der große Krieger Dachsschwanz war der Anführer dieses Kriegszuges. Doch die an Nachtschatten gerichteten Erwartungen des alten Murmeltier wurden noch weit übertroffen. Schon als sie zehn war, besaß sie mehr Macht, als Murmeltier je zu träumen gewagt hätte. Damals arbeiteten für Gizis, Tharons Vater, sehr gewissenhafte Handwerker.
Sie stellten die berühmten schwarzen Quellgefäße her, die Tharon als Tauschware im Handel mit auserwählten Führern dienen. Als Nachtschatten mit den Gefäßen in Berührung kam, hauchte sie ihnen furchterregende Macht ein. Natürlich zwang Gizis sie, allen anderen Priestern und Priesterinnen beizubringen, wie sie das macht, aber der alte Murmeltier haßte -«
»Sie hauchte ihnen Macht ein? Eine Macht wofür?« fragte Flechte leise.
Überrascht über diese Frage, hob Wanderer das Kinn. »Nun, die Macht, in die Unterwelt schwimmen zu können. Jeder hat seine eigene Methode, um in die Unterwelt zu gelangen, und das Quellgefäß ist eben Nachtschattens Methode. Wie dem auch sei, Tharon wurde verrückt, als er eines Nachts heimlich in Nachtschattens Kammer schlich und sich erdreistete, in ihr Quellgefäß zu gucken. Er sagte, das Herz in seiner Brust habe so schrecklich gepocht, daß er fast gestorben wäre. Angeblich hat ein Geist mit rosarotem Gesicht versucht, seine Seele zu verschlingen.«
Fliegenfänger beugte sich langsam nach vorn und flüsterte heiser: »Nachtschatten haucht böse Geister in diese Gefäße hinein?«
Wanderer ahmte Fliegenfängers Miene und Haltung nach und starrte den Jungen einen Augenblick lang atemlos an. »Wie kommst du darauf?«
»Du hast eben gesagt -«
»Komm her!«
Doch Fliegenfänger wich an die Wand zurück. Auf allen vieren kroch Wanderer über den Boden zu ihm hinüber, packte den sich heftig sträubenden Fliegenfänger am Kopf und begann, mit den Fingerknöcheln die Schädeldecke des Jungen abzuklopfen, als suche er etwas. »Nein, zu schlecht«, verkündete er schließlich. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, watschelte er zum Kochtopf und spähte prüfend hinein.
Fliegenfänger krächzte: »Was? Was ist zu schlecht?«
Lässig wedelte Wanderer mit der Hand. »Oh, weißt du, Menschen werden mit einer weichen Stelle auf dem Kopf geboren, durch die sie mit dem Erdenschöpfer in Verbindung treten können. Bei den meisten Leuten schließt sich diese Stelle und wird fest, solange sie noch sehr jung sind. Sie öffnet sich erst wieder bei ihrem Tod, damit die Seele in das Land der Ahnen reisen kann. Aber ein Mensch kann lernen, diese Stelle offenzuhalten, wenn er sich genügend Mühe gibt. Ich dachte, vielleicht erhältst du über die Geister Botschaften von Nachtschatten.« Wanderer tauchte eine Holzschale in den Topf und füllte Arm. Er lächelte. Im flackernden bernsteingelben Feuerschein sah sein Gesicht älter aus, noch runzliger und ausgezehrter als bei Tageslicht, aber seine Augen blitzten wieder vergnügt. »Paß auf dich auf, Wanderer. Ich habe dich diesen Winter über sehr vermißt.«
»Oh, mir geht es
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