Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
Vom Netzwerk:
Sonnenjägers Nachtlager aber hatte sich an der hinteren Zeltwand befunden. Er erinnerte sich, wie er, vom Rauch halberstickt, hustend aufgewacht war. Er hatte versucht, um Hilfe zu rufen, war dazu aber nicht mehr in der Lage gewesen. Draußen war aufgeregtes Geschrei erklungen. Gerade als er gedacht hatte, daß er nun auch sterben müßte, war Gute Feder in das Flammenmeer gesprungen und hatte ihn hinaus auf das taubedeckte Sommergras gezerrt. Sie hatte ihm die Nase zugehalten, seinen Mund mit ihrem Mund bedeckt und Luft in seine von Atemkrämpfen zugeschnürte Lunge gepreßt. Tage später hatte sie ihm gesagt: »Mein Atem ist jetzt in dir. Wir haben unsere Seelen geteilt.
    Du wirst mein Werk fortführen - ein Maulwurf werden.« Sie sprach oft in Rätseln, die er nicht verstand. Manchmal machte sie ihn mit ihren merkwürdigen Aussprüchen verrückt.
    Ein Maulwurf? Was meinst du damit? Wieso werde ich ein Maulwurf, Tante?
    Doch später hatte er sie verstanden. Während der Jahresumläufe, die er bei ihr verbrachte, hatte sie ihn in die Geheimnisse des Talth-Bundes, des Geheimbundes des Volk-Das-Licht-Stiehlt, eingeweiht.
    Gute Feder hatte ihm beigebracht, wie man in der Dunkelheit ohne Augen sieht. Und noch vieles mehr. Sie hatte ihn gelehrt, die Tiere bei ihrem Geheimnamen zu rufen - dem Namen, den sie sich selbst gaben - und die Tiere zu hören, wenn sie ihn bei dem Namen riefen, den sie ihm gaben. Tiere sahen die Menschen auf ganz unterschiedliche Art. Das Wapiti nannte ihn »Wildblumentöter«, weil er zu Beginn des Frühjahrs immer so viele Macht-Pflanzen sammelte. Die Raben nannten ihn »Der heulende Aasfresser«, weil er für die Sterbenden sang. Sonnenjäger lächelte in sich hinein. Ja, Gute Feder hatte ihn viele wichtige Geheimnisse über die Welt gelehrt.
    Sie schien seinen Blick zu spüren, denn sie richtete ihren gebeugten alten Rücken auf und sah ihn fest an. Ihr faltiges Gesicht blieb ausdruckslos, doch in ihren Augen war ein Glimmen wie bei einem Wiesel angesichts einer in die Enge getriebenen Maus. Sie nahm ihren Gehstock und schritt mühsam auf ihn zu. Ihr dünner Hals ragte aus ihrem Hirschlederkleid hervor, und das lange, im Sonnenlicht gelbliche Haar fiel wie altes Stroh über die roten und blauen Zickzackmuster auf ihrem Kragen.
    Sonnenjäger ging ihr entgegen. »Guten Tag, Mutterschwester«, sagte er. Er überragte sie wie ein Riese.
    Gute Feder mußte den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm emporzuschauen. Licht fiel auf ihr sonnengegerbtes Gesicht, das über und über mit Falten und Fältchen bedeckt war. Drei weiße Augen mit Blitzen anstelle der Pupillen zierten ihr Kinn. Sie waren ein Zeichen ihrer Führerschaft im Talth-Bund. Die gelben Zickzacklinien schienen wie richtige Blitze zu zucken, als sie den Mund über dem zahnlosen Kiefer bewegte. Eine Weile schwieg sie und musterte ihn aufmerksam. Schließlich sagte sie: »Geh schlafen, bevor du tot umfällst! Du bist noch nicht richtig gesund.«
    »Ich bin gesund genug.«
    »Wenn du tot bist, haben nur noch die Kojoten, die Raben und die Maden etwas von dir«, erwiderte Gute Feder.
    »Stehender Mond hat mich gebeten, ihre Schwester zu heilen. Ich muß gehen.«
    »Wie lange ist ihre Schwester schon krank?«
    »Seit drei Tagen.«
    Gute Feders verwittertes Gesicht war plötzlich angespannt. »Drei Tage? Das ist der Zeitpunkt, an dem die meisten sterben. Hat sie hohes Fieber?«
    »Sehr hohes. Stehender Mond ist vor kurzem zu mir gekommen, um mir zu sagen, daß Holzschale letzte Nacht aufgehört hat, sich zu bewegen. Vorher hat sie sich auf ihrem Lager hin und her geworfen. Einmal war sie glühendheiß, dann wieder eiskalt, genau wie die anderen. Und dann ist sie ganz still geworden.«
    »Dann mußt du dich beeilen. Aber erzähl mir erst noch schnell, wie es Zedernzweigs drei kleinen Jungen geht. Du hast die ganze Nacht…«
    »Sie sind gestorben, Gute Feder. Ich … ich konnte nichts für sie tun.«
    Gute Feders altes Gesicht verzog sich vor Kummer. Sie legte ihre knotige Hand auf seine Brust und schob ihn schwach auf Stehender Monds Hütte zu. »Komm wieder zu mir, wenn du fertig bist. Ich muß noch mit dir sprechen. Irgend etwas geschieht mit der Macht. Irgend etwas spielt mit ihr herum, so daß die bösen Geister, die diese Krankheit verursachen, das Land heimsuchen und sich in Körper und Seele der Menschen einnisten können.«
    »Ich komme, sobald ich kann.«
    Gute Feder stützte sich auf ihren Gehstock und seufzte tief, als wollte sie an

Weitere Kostenlose Bücher