Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
noch?«
»Schwarzwasser.«
»Ja, Schwarzwasser. Den sollten wir uns vielleicht mal ansehen.«
Blaue Kanne warf den Kopf zurück. »Willst du ihn etwa mit Tonschale verheiraten?« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Oder hoffst du nur, unsere Kupferplatte zurückzubekommen?«
Gelbes Schilfrohr sah sie von der Seite an. Diese Platte würde ihr sicher noch eine Weile zu schaffen machen. Sie zuckte unter einem Regenguß zusammen. Würde der Sommer nie kommen? Es war wohl das Alter, das sie verwirrte, denn welcher normale Mensch sehnte sich schon nach einem Sommer?
Der Sommer brachte nur Hitze, harte Feldarbeit, Moskitos, Milbenlarven, Zecken, Mücken, Ameisen und Tausendfüßler.
Sie kam wieder auf das Gespräch zurück. Schwarzwasser und Tonschale? »Haben die sich denn gern?«
Blaue Kanne zuckte mit den Achseln. »Letzte Nacht ließ sie ihn unter ihre Decke. Für sie war es, glaube ich, das erste Mal. Jeden freien Augenblick verbringen sie nun damit, sich anzustarren. Es muß also gut gewesen sein.«
»Hm. Was wissen denn die jungen Kerle davon, was unter der Bettdecke gut ist?«
»Na ja, ich glaube, sie wollen viel üben.« Blaue Kanne zuckte mit den Achseln.
»Viele Schildkröten und ich haben jedenfalls oft geübt.«
»Und was ist dabei rausgekommen? Zwillinge. Und dauernd hast du Jungen zur Welt gebracht.«
»Also, was ist mit Schwarzwasser und Tonschale?«
»Das wäre keine schlechte Verbindung. Der Riesenschilfclan hat Zutritt zu der Wasserscheide im Norden, wo im vergangenen Jahr diese schlimme Überschwemmung war, weißt du noch? Scheint mir eine gute Stelle, um Kürbis anzubauen. Und außerdem liegt dahinter ein Moorgebiet mit Sandschlamm. Noch vier, fünf Jahre, dann ist das Land bebaubar. Das könnte uns von Nutzen sein - mit der richtigen Heirat…«
»Wenn sie da nicht weiter Töpferton in dem Tempo ausgraben wie jetzt«, meinte Blaue Kanne verständnisvoll und sah ihre Mutter an.
»Sollen sie graben. Sie pressen den Ton durch Gewebe, da wird er fein, und sie machen gute Töpfe daraus. Man kann gar nicht genug von ihnen haben. Besonders, wenn man solche Enkeltöchter hat wie ich, die dauernd welche fallen lassen. Aber in jedem Fall sind wir Nutznießer.«
Blaue Kanne überlegte kurz, dann fragte sie: »Hältst du es denn für klug, Tonschale mit dem Riesenschilfclan zu verbinden? Ist nicht eine Einheirat in die Stadt der Toten besser? Vielleicht in den Winterclan?«
Gelbes Schilfrohr schob ihren zahnlosen Unterkiefer hin und her: »Keine schlechte Idee! Wie bist du darauf gekommen?«
Blaue Kanne beugte sich vor und sagte: »Das mit der Kupferplatte wird sich herumsprechen. Aber nicht nur das, ich habe Otter zugehört. Er hat recht, jedes Jahr fahren mehr Leute auf dem Fluß vorbei.
Es müssen aber nicht nur friedliche Händler sein, es könnten auch Krieger kommen. Die Zukunft…
eine unsichere Sache. Ein Bündnis mit dem Winterclan könnte sehr nützlich sein. Da würden sich Plünderer die Sache erst mal überlegen. Und wenn es zum Schlimmsten käme, hätten wir einen Unterschlupf.«
Gelbes Schilfrohr sah mit zusammengekniffenen Augen auf den schlammigen Anlegeplatz, auf den sie zusteuerten. Sie fragte Blaue Kanne: »Machen dir die Gerüchte vom Krieg unter den Schlangenclans im Norden keine Sorgen?«
Blaue Kanne zuckte mit den Achseln. »Ja. Wir müssen mit Otter reden. Vielleicht hat er etwas gehört.
Aber wegen der Hochzeit und bei all dem Durcheinander… wir haben ja noch gar keine Zeit gehabt, miteinander zu reden.«
Gelbes Schilfrohr nickte. »Wenn wir zu Hause sind und ich mich aufgewärmt habe, reden wir mit ihm«, sie grinste, »vorausgesetzt, mein nichtsnutziger Schwiegersohn begrüßt uns mit einem prasselnden Feuer.«
»Mein Mann wird's für seine Schwiegermutter bestimmt warm gemacht haben. Er weiß, wer seine Freunde sind.«
Gelbes Schilfrohr nickte entschieden. »Du hast dir einen guten Mann ausgesucht, mein Mädchen.«
Das Kanu fuhr aufs Ufer auf, und Otter half ihnen beim Aussteigen.
»Ich muß dich sprechen«, sagte Gelbes Schilfrohr kurz. »Warte, bis wir zur Ruhe gekommen sind, dann komm zu mir!«
Das kaum verhüllte Vergnügen, das ihn auf dem Fluß beseelt hatte, verging ihm, als er in ihr graues Gesicht sah, das so düster war wie der Tag. »Ja, Großmutter.«
Sie schaute ängstlich auf den schlammigen Pfad, der den Hang hinauf zum Clanhaus führte, aber Blaue Kanne bot ihr einen stützenden Arm. Sie dachte an Otter. Trotz der Jahreszeit wollte er nach
Weitere Kostenlose Bücher